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Restaurantkritik Bidlabu Frankfurt: Cuisine à la Bohème

Essen gehen, wie es einfach nur

Spaß macht

 

Im Bidlabu ist alles wie immer und doch ganz anders

 

Von

Ludwig Fienhold                                       

 

Der Straßenköter unter den Toplokalen der Stadt. Doch wenn wir die Wahl haben zwischen dieser Promenadenmischung und einem eitlen Pudel mit Sternehalsband, wie beispielsweise dem Lafleur, dann gehen wir lieber zum Straßenköter. Warum? Weil es im Bidlabu einfach mehr Spaß macht. Das kleine Gassen-Lokal parallel zur Frankfurter Freßgass hat sich in den letzten Monaten derart gesteigert, dass man Purzelbäume schlagen möchte. André Rickert kann einfach nicht verleugnen, dass er ein Sternekoch war, wenngleich das gastronomische Konzept des Bidlabu und seine lässige Atmosphäre das Lokal vor falschen Freunden schützen mögen.

Im Grunde ist das Bidlabu inzwischen zum Weinsinn geworden, denn mit André Rickert ist ja auch Sommelier Dietmar Fritz von diesem Frankfurter Spitzenrestaurant abgewandert, zudem noch ein weiterer verdienter Servicemitarbeiter. Die Küche war im Bidlabu immer bemerkenswert, jetzt ist sie richtig gut. Zuvor gab es einige nette Weine, nun existiert eine fundierte Weinkarte. Lustvolle Gerichte, zierliche Preise, offene Puppenstuben-Küche, nonchalanter Service, unkomplizierte Atmosphäre – ein solch komfortables Paket findet man selten unter einem Dach.

Essen

Kabeljau mit Pfifferlingen

Dass Andre Rickert ein großartiger Koch ist, hat er jahrelang im Weinsinn bewiesen, das Lokal war von Anfang an ehrgeizig als Sternegastronomie angelegt. Im Bidlabu soll es kulinarisch hochwertig, aber nicht abgehoben zugehen. Rickerts Stil ist konzentriert, elegant, feinwürzig und von entspannter Raffinesse. Und weit entfernt von jeglicher kulinarischen Wichtigtuerei. Fischgerichte sind immer erste Wahl und werden so delikat und punktgenau zubereitet, wie zuvor im Weinsinn. Der Kabeljau mit Pfifferlingen, Gnocchi und Beurre blanc hat Klasse, beim perfekten Saibling mit Oliven-Spaghettini, geschmorter Zucchini und Paprika-Escabeche erlebt man ebenfalls lustvolle Unbeschwertheit. Wie man mit wenigen und einfach erscheinenden Komponenten eine ziemlich große geschmackliche Wirkung erzielen kann, belegen Garnele mit Kopfsalat, Paprika und Parmesan. Saugut auch der Schweinebauch mit Bratkartoffeln, Meerrettich und Rotweinbutter. Eines der schönsten Desserts: Pfirsich mit Sauerampfer-Eis, Himbeere und Joghurt. Preise: Der „Fisch des Tages“ kostet 18,50 €, zwei Gänge werden mittags mit 25 €, drei Gänge mit 29 € berechnet, abends wird man bei drei Gängen mit 48 € ebenfalls nicht überfordert. Es wird aber auch alles à la carte offeriert. Den preislich moderaten soliden Weinbegleitungen darf man sich getrost anvertrauen. Übrigens: Kaffee/Cappuccino kommen von Hoppenworth & Ploch.

Weine

Königsberger Klops mit Garnele

Sommelier Dietmar Fritz gehört zu den Guten seiner Zunft und kommt ohne das übliche Weinbesserwisser-Gehabe aus. Die von ihm neu angelegte Karte bietet auf wenigen Seiten viele handverlesene Weine. Der wenig bekannte Sekt von Irene Söngen aus dem Rheingau oder der Sekt vom Gut Hermannsberg von der Nahe bieten einen guten Einstieg, der Grauburgunder No 2 vom pfälzischen Weingut Arnold ist so großartig und saftig, dass man das Glas nicht aus der Hand geben möchte. Bei Von Oetinger (Rheingau), Wagner-Stempel (Rheinhessen) oder Luckert (Franken) liegt man auch richtig. Der Name Beaujolais hat gelitten, dabei gibt es exzellente Crus wie den Morgon von Georges Descombes. Solch ein flamboyanter, kräuterwürziger, erotischer Wein wirkt ungemein animierend und zeichnet jeden Besuch aus. Wer sich an einen ungewöhnlichen, komplexen und komplizierten Wein getrauen möchte, sollte den Chenin Blanc „Coulée de Serrant“ aus dem Jahr 1997 von Joly von der Loire probieren. Sehr sehr spannend.

Ambiente

Wen die Enge nicht stört, wird sich hier wohlfühlen. Man sitzt dicht an dicht, hat jedoch fast immer nette Nachbarn. Es ist lebendig, aber nicht laut. Es wuselt und wimmelt, doch wenn der erste Teller auf den Tisch kommt, kehrt innere Ruhe ein. Deutlich ist auch, dass die Betreiber nicht in Tische und Stühle investiert haben, sondern in gute Produkte und ausgesuchte Mitarbeiter. Ein Blick in die offene Küche lässt staunen, weil aus dieser Kombüse bemerkenswerte Küchenleistungen kommen. Der Weg in die unterirdische Toilette wird stets von einem Hörspiel begleitet, das man auch beim hundertsten Besuch noch nicht wirklich kennt, weil man irgendwie immer an die gleiche Stelle kommt.

Service

Locker, freundlich, gastorientiert. Und kenntnisreich. Die beiden Betreiber Lukas Bender und Stefan Mayer-Beilstein haben unter anderem in der Sternegastronomie gearbeitet, was ihnen aber nicht weiter geschadet hat. Ihrem Naturell nach bleiben sie Individualisten mit Gespür für die Basics. Da sie kunstsinnig sind, dürfen die Gäste auch mit musikalischen Veranstaltungen rechnen. Der Grantler Georg Kreisler war mit seinem bitterbösen Lied Bidla Buh immerhin Namensgeber.

Ausklang

La Bohème? Ja, aber mehr Aznavour als Puccini.

 

André Rickert

Bidlabu, Frankfurt, Kleine Bockenheimer Str. 14,

Tel. 069 95 64 87 84. Montag-Freitag: 12-14.30 Uhr & 18-22 Uhr
Samstag: 13-15 Uhr & 18-22. Sonntag geschlossen.

www.bidlabu.de