Restaurant-Kritik 360 Grad in Limburg:
Gibt es für diesen Preis etwas Besseres?
Alexander Hohlwein serviert famose Küche
im Penthouse-Restaurant
Von Ludwig Fienhold
Es gab bislang kaum Gründe nach Limburg zu fahren, mit dem Restaurant 360 Grad hat sich dies grundlegend geändert. Es existiert in Deutschland kaum ein anderes Restaurant, dass derart viel intelligente Geschmackserlebnisse zum gastfreundlichen Preis bietet wie dieses. Also nichts wie hin, am besten mit dem Zug, der fast bis vor die Tür fährt und entspanntes Weintrinken möglich macht.
Die profane Lage hat man gleich vergessen, das Penthouse-Restaurant beschert einen strahlenden Panoramablick über die Dächer der Stadt. Aber auch die Einsicht in die offene Küche kann spannend sein, denn man darf beobachten wie jeder Handgriff sitzt. Küchenchef Alexander Hohlwein, der sich mit seiner Lebensgefährtin Rebekka Weickert in Limburg selbständig machte, hatte große Lehrmeister wie Kevin Fehling (3 Sterne) und Christoph Rainer (2 Sterne) und arbeitete bei beiden als Souschef. Im Restaurant 360 Grad wird man ungebremst zum Menü greifen, denn die sympathischen Preise animieren dazu förmlich (4 – 6 Gänge 70 – 90 €). Vorsicht: Das hausgebackene Sauerteigbrot ist dermaßen gut, dass man es leicht damit übertreiben kann. Zu jedem Menü gibt es zudem als Prolog und Epilog verschiedene Delikatessen en miniature, etwa japanisch inspirierten Nabemono-Tontopf mit Hummer Dim Sum, Garnele und Chawanmushi-Eierstich im Krustentier-Sud. Die Küche wagt sich in dramaturgisch gewagtem Gefälle auch an heimatlichen Handkäs, der so cremig, leicht und gut ausfällt, wie wir das noch nie erlebt haben.
Alexander Hohlwein und sein Team stehen für eine finessenreiche Hochküche, die aber nie affektiert, sondern aufrichtig und zwanglos erscheint. Ausdrucksvolle Aromen und energische Herzhaftigkeit gehören zu den Parametern. Der saftige Wolfsbarsch mit krosser Kruste begeistert durch einen flamboyanten Sud aus grünen Bohnen, Granny Smith Apfel, Rauch-Öl, Bauchspeck und Röstzwiebel. Auch beim perfekten Kabeljau mit gewürfeltem Kalbskopf und Beluga-Linsen brilliert eine samtige Dal-Kokos-Sauce. Die Gänseleber „Rum, Traube, Nuss“ ist ein grandioses Potpourri aus marinierter und pochierter zartcremiger Gänseleber mit Walnuss, Muskateller-Trauben und Walnuss-Brioche. Besser und vor allem leichter kann man Gänseleber kaum zubereiten. Längst zum Signature Dish geworden, erinnert Rum, Traube, Nuss an die Lieblingsschokolade von Alexander Hohlwein.
Ein ätherisches und sehr akkurat abgestimmtes Highlight ist das Gericht „Krustentier japanisch“ aus Taschenkrebs & Yuzu (in halber Zitrone auf Eis serviert), Hummer & Kokos Chil sowie Roter Garnele & Som Tam Papayasalat. Klare Feinabstimmung, beste Produktqualität und elegante Kombination machen daraus japanisch Nouvelle. Als Schweinchen von nobel gebremster Deftigkeit präsentiert sich das Iberico Bavaria – saftiger Rücken und zarte Backe, Brezenknödel und Bayrischkraut in schöner Schwarzbier-Jus.
Die Gerichte à la carte zeigen ebenfalls große Klasse. Der vielleicht in manchen Ohren gewöhnlich klingende Fischeintopf ist eine besonders elegante Version mit Edelfischen, Krustentierschaum, Zuckerschote und Estragon. Auch am Kabeljau mit brauner Butter erkennt man meisterliches Handwerk. Es gibt nicht wenige Restaurants, bei denen man die Desserts vernachlässigen darf, im 360 Grad aber nicht. Tonka-Eis, Bohnenkraut, Speck, Birne, Birnen-Creme und Whisky-Gelee in einer Manschette aus Manjari-Schokolade verbrüdern sich zu einem harmonischen Patisserie-Glücksfall. Nicht dem plumpen Credo der bloßen Süßigkeit gehorcht auch Spicy Pumpkin (kalt & warm) mit Kürbis, Quitte, Kardamom, Tamarinde und Chai Latte. Viele Komponenten und Gewürze sorgen oft für geschmackliche Irrungen, hier fließt alles wunderbar zusammen.
Rebekka Weickert ist der verlängerte Arm der Küche im Service und auch deshalb gut in der Abstimmung zum Wein, weil sie den Aufbau der Gerichte ihres Partners bestens kennt. Auf der Karte stehen rund 90 Positionen, wobei deutsche Weine favorisiert werden. Es gibt viele trinkfreudige und bezahlbare Weine, wie den Weißburgunder von Manz aus Rheinhessen oder einen Sauvignon Blanc vom Pfälzer Philipp Kuhn. Man kann getrost ein Menü mit Weinbegleitung bestellen, wie alles hier vertrauenswürdig und alles andere als gierig.
BISS Wertung
RESTAURANT 360 °
Limburg an der Lahn
Bahnhofsplatz 1 A
T: +49 (0)6431 2113360
Di – Sa 12 – 15 Uhr, 18.30 – 23 Uhr
So + Mo geschlossen
Menü Weltreise 4-6 Gänge 70-90 €
Menü Entdeckungsreise 4 Gänge 70 €
Lunch 2-4 Gänge 22-39 E
Korrespondierende Weinbegleitung
Bei 4-7 Gängen 28-49 €
Photocredit: Barbara Fienhold