Michelin Frankreich 2018: Marc Veyrat und Christophe Bacquié sind die neuen 3-Sterne-Stars
Der Michelin holt aber auch viele Sterne wieder vom Himmel
Von unserem
Frankreich-Korrespondenten
Jörg Zipprick
Sie sind die Stars des neuen Michelin 2018: Marc Veyrat in Manigod und Christophe Bacquié in Le Castellet dürfen sich ab jetzt mit drei Sternen schmücken. Veyrat (im Bild mit Souschef Muletti) ist ein Wiedergänger: Mit höchsten Weihen in Megeve and am Lac d’Annecy ausgezeichnet, warf ihn 2005 ein Ski-Unfall physisch und psychisch aus der Bahn. Er rammte damals seine eigene Tochter von der Piste. Die Anfänge im neuen Lokal waren mühsam, ein Feuer vernichtete den Dachstuhl und die Kritiken waren nicht gerade enthusiastisch: „Die Kantine von Yps mit Gimmick“ (im Original: Pif Gadget“) urteilte „Le Figaro“.
Bacquié ist verglichen mit dem flamboyanten Veyrat eher ein stiller Star. Ein Koch, über den alle nur Gutes reden und dem der große Durchbruch dennoch bisher versagt blieb. Seine Küche ist dem modern-mediterranen Genre verpflichtet, gern streut er französische Klassiker wie „Hase königlicher Art“ ins Menü ein. Zwei grundverschiedene Köche also. Beide Urteile werden in den nächsten Tagen zumindest in Frankreich heftig diskutiert werden. Die Fans der anderen Favoriten (Jean-Francois PIège, Olivier Bellin, Christophe Pelé u.v.a.m.) werden ihrem Ärger lautstark Luft machen und erklären, dass die Urteile der 2018er Ausgabe zutiefst ungerecht sind. So war es jedes Jahr in den letzten Jahrzehnten. Man kann es auch anders sehen: Urteile des Michelin sind Ausdruck der redaktionellen Freiheit, die jeder andere Medienschaffende selbstverständlich auch für sich in Anspruch nimmt. „Mein Lieblingskoch wurde nicht ausreichend gewürdigt“ oder „Ich kenne einen Koch, der einen Stern verdienen würde“ – das sind die bekannten kleinen Sticheleien von Gastronomiekritikern. Wenn sie einen Guide wünschen, der ihrem persönlichen Geschmack folgt, dann müssen diese Kritiker ihn selbst schreiben und vor allem selbst finanzieren. Spätestens hier scheitert das Unterfangen.
Die internationale Presse umjubelte dieses Jahr einen Abwesenden: Sébastien Bras aus Laguiole. Dieser Koch verkündete über soziale Medien, er würde aus dem Guide aussteigen wollen, weil die Bewertung Druck erzeugen würde. Tatsache ist: Bras kocht von Mitte April bis Mitte September. Man muss nicht lange suchen, um Köche zu finden, die etwas mehr Druck ausgesetzt sind und ihm täglich standhalten. Tatsache ist auch: Vater Michel Bras war ein visionärer Kult-Koch, der mit dem Gargouillou de légumes eines der meist imitierten Gerichte überhaupt schuf. Sohn Sébastien hat sich diesen Status nicht erarbeiten können, seine Küche wirkt oft angestrengt und bemüht. Wir werden sehen, wo das Haus Bras in fünf Jahren wirtschaftlich steht. Auch Alain Senderens gab ja unter Mediengetöse seine Sterne zurück – und war dann doch recht froh, zügig wieder mit zwei Himmelskörpern ausgezeichnet zu werden.
Michelin Frankreich 2018: Gewinner und Verlierer
Mit Veyrat und Bacquié hat Frankreich zwei neue Drei-Sterne-Häuser. Fünf Etablissements rücken in die Zwei-Sterne-Kategorie auf:
Saint-Amour-Bellevue | Au 14 Février |
Lyon | Takao Takano |
Talloires | Jean Sulpice |
La Turbie | Hostellerie Jérôme |
Nice | Flaveur |
Jean Sulpice zog in die Auberge de Père Bise in Talloires und nahm seine Bewertung mit. Der bewährte Bruno Cirino von der Hostellerie Jérôme hatte seinen zweiten Stern 2014 verloren. Eine Abwertung, die damals für Aufsehen sorgte und von vielen Kritikern als zutiefst ungerecht bezeichnet wurde. Im Jahr 2018 kehrte der zweite Stern zurück.
Doch wo es Gewinner gibt, muss es auch Verlierer geben. Da ist zuerst einmal Pierre Gagnaire, dessen Restaurant im Hotel Les Airelles geschlossen wurde. Gagnaire eröffnet Filialen in aller Welt, doch wirtschaftlich erfolgreich sind nur wenige. Berlin, Seoul und eben Les Airelles – diese Gagnaire-Ableger gibt es nicht mehr. Im L’Amphytrion in Lorient ging der exzellente Chefkoch Jean-Paul Abadie in Rente, die Abstufung ist logisch.
Besorgniserregender liest sich die Liste der Verluste in der ein-Sterne-Klasse. Einige Restaurants schlossen ihre Pforten, andere wechselten den Küchenchef. Dennoch bleibt der Eindruck, dass das „erste Haus am Platze“ in kleineren Orten der französischen Provinz nicht mehr ausreichend Gäste anzieht. Le Bacon in Cap d’Antibes, Le Charlemagne in Pernand-Vergelesses, Octopus in Béziers, Château de Castel Novel in Brive-la-Gaillarde, La Briqueterie in Epernay, Château de Locguénolé in Hennebont, Claude Darroze in Langon, La Laiterie nahe Lille, Le Château de Montreuil in Montreuil, Le Manoir de Lan-Kerellec in Trébeurden und viele andere mehr – das waren vor wenigen Jahren noch Adressen mit einem Ruf wie Donnerhall. Ehrwürdige Klassiker sind von den Sterneverlusten genauso betroffen wie junge, kreative Köche, die eigentlich als Nachwuchstalente galten. Mit wenigen Ausnahmen haben diese Adressen eines gemeinsam: Sie waren in den letzten Jahren wirtschaftlich nicht wirklich erfolgreich. Und bleiben die Gäste aus spart mancher Koch zuerst am Wareneinsatz…
Fazit: Das „erste Haus am Platze“ zu sein, reicht heute nicht mehr. Die Konkurrenz ist zu groß geworden, die gastronomische Landschaft ist vielfältiger denn je zuvor. In Hennebont, Langon oder Pernand Vergelesses stehen die Gäste nicht Schlange um mehr als hundert Euro pro Kopf zu zahlen
Von zwei auf einen Stern heruntergestuft:
Le Bourget du Lac (73) Le Bateau Ivre, Ombremont
Lorient (56) L’Amphitryon
Diese Restaurants verlieren ihren einzigen Stern:
Aix-en-Provence (13) L »Esprit de la Violette (geschlossen)
Angers / à Briollay (49) Château de Noirieux
Annecy (74) La Ciboulette
Annonay (07) Le W
Antibes / Cap d’Antibes (06) Bacon
Auxerre (89) L’Aspérule
Beaune / Pernand-Vergelesses (21) Le Charlemagne
Béziers (34) Octopus
Bosdarros (64) Auberge Labarthe
Brive-la-Gaillarde / à Varetz (19) Château de Castel Novel
Dijon (21) La Maison des Cariatides
Épernay / Vinay (51) La Briqueterie
Erbalunga (2B) Le Pirate
Grasse / à Magagnosc (06) Au Fil du Temps
Hennebont (56) Château de Locguénolé
Langon (33) Claude Darroze
Lille (59) La Laiterie
Lille/ à Gruson (59) L’Arbre
Lumio (2B) Chez Charles
Lyon (69) L’Alexandrin
Missilac (44) Le Montaigu
Montreuil (62) Château de Montreuil
Paris 5e Itinéraires (geschlossen)
Paris 5e Sola
Paris 7° Les Fables de la Fontaine
Paris 7° Il Vino d’Enrico Bernardo (geschlossen)
Paris 8° La Table du Lancaster
Paris 16° Relais d’Auteuil (geschlossen)
Pont Aven (29) Le Moulin de Rosmadec (geschlossen)
Poitiers / Saint Benoît (86) Passions et Gourmandises (geschlossen)
Port-Lesney (39) Château de Germigney
Pringy (77) L’Inédit
Puteaux (92) L’Escargot 1903
Quimper (29) L’Ambroisie
Rennes (35) Aozen
Rodez (12) Goût et Couleurs
Saint-Emilion (33) Les Belles Perdrix de Troplong Mondot
Tarare (69) Jean Brouilly
Terrasson-Lavilledieu (24) L’Imaginaire
Tournus (71) Quartier Gourmand
Trébeurden (22) Manoir de Lan-Kerellec
Villefranche-sur-Saône (69) Le Juliénas – Fabrice Roche
Villeneuve-sur-Lot (47) La Table des Sens
Photocredit: Marc Veyrat, Christophe Bacquié