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Der New Yorker Sternekoch David Bouley stirbt mit 70

Abschied von einem

kreativen und klugen Kopf

 

Es gibt bald mehr gute Köche im Himmel als auf Erden. Jetzt ist mit David Bouley wieder einer hinzugekommen. In einer Zeit als die USA am Steak nagte, brachte er eine behutsam ins amerikanische übersetzte französische Küche nach New York. Die kulinarischen Grundwerte vermittelten ihm seine französischen Großeltern, die eine Farm führten. Den letzten Schliff erhielt er bei Großmeistern der Zunft wie Paul Bocuse, Joël Robouchon und Frédy Girardet.

Im Restaurant Montrachet machte David Bouley 1985 als Küchenchef auf sich aufmerksam und eröffnete zwei Jahre später sein eigenes Restaurant mit dem Namen Bouley, das er an wechselnden Stellen führte. Er verzichtete auf Kaviar und Trüffel sowie Butter und Sahne und wollte die Natürlichkeit der Aromen in den Mittelpunkt stellen. Dies konnte ihm auch mit so einfach klingenden Gerichten wie Erbsen-Eis mit Apfelschaum gelingen. Sein folgendes Projekt, das stimmungsvolle Restaurant Bouley Bakery wurde mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet und nannte sich später wieder einfach nur Bouley. Vielleicht dachten zu viele, dass es sich bei diesem Lokal tatsächlich um eine Bäckerei handeln würde, was noch durch eine ungewöhnlich große Brotauswahl verstärkt wurde, bei der Brote aus Buchweizen, Walnüssen, Kokosfasern und Pistazien glänzten, die obendrein kein Gluten enthielten. Dies zeigte den Weg, den Bouley noch weit stärker ausbauen wollte: Gesundheitsbewusstsein, Lebensmittelkunde und Landwirtschaft gepaart mit Genuss.

Die größte Aufmerksamkeit erreichte David Bouley mit dem Restaurant Danube, das ebenfalls in seinem Lieblingsrevier Tribeca in der Hudson Street lag und sich zwei Michelin-Sternen schmücken konnte. Der Interior-Designer Jacques Garcia machte daraus das schönste und schickste Restaurant von New York, einen samtenen und poetisch glimmernden Jugendstilpalast. Es wurde schnell zum Lieblingsplatz der Restaurantkritiker und Prominenten. Paul McCartney, Keith Richards, Lou Reed und die Band U2 stimmten in den Lobgesang ein, Celebrities wie Jessica Sarah Parker, Naomi Campbell, Jennifer Lopez oder Leonardo Di Caprio bescherten Boulevardglanz. Auch die vielbeschäftigten Küchenstars Alain Ducasse und Ferran Adrià lockte der gute Ruf ins Danube. Dem Namen „Donau“ entsprechend hatte David Bouley einen Österreicher als Küchenchef gesucht – und fand ihn mit dem jungen Mario Lohninger, der mit seinen 24 Jahren viel Talent und gute Laune einbrachte. Durch Gröstl vom Maine-Hummer, Kavalierspitz, Wiener Schnitzel und Rinderbäckchen in Zweigelt-Sauce wurde Lohninger zum Liebling der Society. „Die New Yorker Gourmets weinen Freudentränen in ihre Schnitzel“ dichtete damals die Presse.

Aus dem 1999 eröffneten Danube wurde im Jahr 2011 mit dem japanischen Brushstroke ein völlig anderes Restaurant. Trotz der Auszeichnung von zwei Sternen im Michelin war dort nach fünf Jahren Schluss. David Bouley rückte zuletzt seine kulinarische Philosophie mit speziellen und oft japanisch inspirierten Botanical-Themen in den Mittelpunkt seines Lebens. Bei der Dinner-Serie The Chef & The Doctors kombinierte er seine Küchenideen mit medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Aspekten. Eine spannende Konzeption, die ein Herzinfarkt nun beendete.

Interview mit David Bouley (r.) und Mario Lohninger, 9/11

Der im Mai 1953 in Storrs in Connecticut geborene David Bouley besaß eine amerikanische und eine französische Staatsbürgerschaft, man hörte im Gespräch mit ihm mehr ein französisches als ein amerikanisches Idiom. Bouley stammte aus einer Intellektuellenfamilie, seine Frau Nicole Bartelme ist Künstlerin und Gründerin des TriBeCa Film Festivals. Was an David Bouley vielleicht noch mehr als sein Kenntnisreichtum und sein unbändiger Wissensdurst beeindruckte, war seine überlegte besonnene Art. Es sind die stillen Menschen, die sich weit eher im Gedächtnis halten und dort lange leben bleiben.

Ludwig Fienhold

 

Photocredit: David Bouley at Home, Mario Lohninger