Der mutigste Sterne-Koch Deutschlands: Kesselfleisch statt Hummer
Der 2-Sterne-Koch Sebastian Frank hat sich mit
tollkühnen Gerichten an die Spitze gearbeitet
Von Ludwig Fienhold
Dieser Koch traut sich Gerichte, an die sich sonst niemand wagt, der auf Nummer Sicher gehen will und nach Michelin-Sternen Ausschau hält. Sebastian Frank bevorzugt nicht Hummer, Gänseleber & Co, sondern setzt Suppenfleisch, Sellerie, Schweineschmalz oder Schulterscherzel ein. Das aber so ungewöhnlich, mutig und naturbeseelt, das der Österreicher damit in seinem Berliner Restaurant Horváth zwei Sterne im Michelin und 17 Punkte im Gault & Millau erreichen konnte.
Erstaunlich und spannend, was man einer Sellerieknolle abgewinnen kann. Sebastian Frank backt die ein Jahr lang in Salzeigt gereifte Sellerieknolle und kombiniert sie mit legierter Hühnerbouillon, geröstetem Selleriesaat und frisch gedämpftem Sellerie. Klingt langweilig vegetarisch, schmeckt aber sehr subtil. Er schöpft aus den naturbeseelten Erinnerungen seiner Kindheit an der deutsch-ungarischen Grenze. Der Duft von Wiesen & Feldern spielt dabei eine große Rolle, Frank ist aber trotz seines Faibles dafür beileibe kein vegetarischer Koch und setzt sein Talent noch mehr für Fisch und Fleisch sowie Süßspeisen ein.
Knapp am Vegetarischen vorbei, aber richtig gut: Auch die feinen gelben Bete (weit besser als die roten Brüder) mit gerösteten Mohn und einer Glasur aus geräuchertem Schweineschmalz treten ziemlich extravagant auf, wobei der Räucherschmalz die Pointe setzt. Ein extrem aberwitziges Gericht, das wie eine Chimäre aus dem südchinesischen Kanton erscheint, nennt sich „Suppenfleisch“. Dahinter steckt eine Achillessehne, die eher Hundehaltern als Kauartikel bekannt sein dürfte. Bei Sebastian Frank aber wird diese so lange gekocht und mit Hühnerhaut, Liebstöckel und Apfelbalsam von Gölles ergänzt und verfeinert, dass daraus ein rein geschmacklich großartiges Gericht wird – wobei es den meisten sicher besser gefallen würde, wenn sie nicht wüssten, was da auf dem Teller liegt. Beim gegrillten Störfilet mit Pflaumenwein-Reduktion nebst Entenemulsion versteht man allerdings nicht einmal ansatzweise, wieso eine nach Eisen und Blut schmeckende Entensubstanz einen zarten Fisch bereichern sollte.
Fast normal wirkt dagegen das wunderbare Schulterscherzel (Gustostück vom Kalb) mit Urkarotte und Zwiebel-Essigmarmelade. Sebastian Frank lässt seiner Phantasie bis zum Dessert freien Lauf und kreuzt Kürbismarzipan mit Fichtenessig und Grammeln (in diesem Fall aus Kalbsnierenfett). Ein famoses Aromenspiel und samtige Haptik erzeugen geeistes Fichtennadelöl mit Kümmelbaisser, Schwarzbrotschmelze und Waldmeistermolke. Es muss einem auch nicht das Blut in den Adern gefrieren, wenn man eine weitere bekannte Spezialität von Sebastian Frank serviert bekommt: die seidige Schweineblut-Praline schmeckt vor allem schön nach Schokolade.
Der supersympathische Koch Sebastian Frank arbeitet trotz rustikal wirkender Nähe zur bäuerlichen Landhausküche so überzeugend, dass man ihm auch schräge Kombinationen gerne abnimmt. Er besitzt die Kraft der inneren Ruhe, aus der er seine energische Unerschrockenheit schöpft. Deshalb bietet auch jeder Teller eine Überraschung, Ungewöhnliches und so noch nie Erlebtes. Derart spannend kann eine Küche sein, wenn sie sich von Konventionen und Erwartungen frei macht.
Es sind gerade solche Veranstaltungen, die das Rheingau Gourmet & Wein-Festival zu einer großen Bühne der zeitgenössischen kulinarischen Kultur und ihrer unterschiedlichen Ausprägungen machen. Es gab viele schöne Weine zum Essen von Sebastian Frank, der GG Spätburgunder Kräuterberg aus dem Jahr 2011 vom Weingut Meyer-Näkel von der Ahr war durch seine Finesse, Dichte, Kräuterwürze und saftigen Statur das absolute Highlight. Wie wichtig gute Moderatoren sind, die ja auch ein Essen stören können, zeigte der Gourmet-Journalist Erwin Seitz, der das Dinner süffig kommentierte und bissfest begleitete. Zu diesem Dinner gibt es bei worldsoffood.de ein interessantes Interview mit Sebastian Frank.
Die Küche des Kronenschlösschens unter Simon Stirnal sowie die Servicecrew von Florian Richter sind jedes Jahr enorm engagiert im Einsatz und haben eine logistische Meisterleistung zu bewältigen. Sportlich aber auch die Disziplin von Festivalgründer Hans Burkhardt Ullrich und seiner inzwischen im Management tätigen Tochter Johanna Bächstädt, die bei jedem der Events dabei sind. Das Rheingau Gourmet-Festival geht noch bis 11. März. Für die große Abschlussparty im Kronenschlösschen in Hattenheim mit neun guten Köchen und zwanzig Winzern und Weingütern sind noch einige Tickets zu bekommen.
Infos & Tickets
Tickets telefonisch unter +49 (0)6723 640
oder über Mail info@kronenschloesschen.de sowie unter www.rheingau-gourmet-festival.de. Festival-Arrangements mit ausgewählten Veranstaltungen werden mit Übernachtungen im Hotel Kronenschlösschen angeboten.
Hier finden Sie mit einem Klick das komplette Programm des Gourmet & Wein-Festivals
Photocredit: Barbara Fienhold, Horváth