Der großartige Regionalkoch Hubert Retzbach
Wechsel von der Zirbelstube in Bad Mergentheim zur
idyllischen Jagstmühle nach Heimhausen
Ausflug ins Hohenloher Land
Hubert Retzbach setzte schon auf regionale Küche, als diesen Begriff nicht jeder im Mund führte. Seine Küche in der Zirbelstube im Hotel Victoria in Bad Mergentheim glänzte, ohne zu blenden. Die Produkte und Viktualien besorgte er sich größtenteils von den Bauern, Züchtern und Jägern der Umgebung. Das Filet vom Hohenloher Milchkalb, im Kräutermantel mit geschmorten Bäckchen, war pralle Lebensfreude. Der Mäusdorfer Landgockel, ein drei Kilo-Prachtkerl, lieferte ebenfalls bestes Fleisch und große Keulen. Die fränkischen Flusskrebse wurden mit Petersilienwurzel-Ravioli und gebackenen Hahnenkämmen serviert, das Gulasch vom Waller mit Spitzkraut in Balsamessig. Ein Gericht erster Güte auch das Taubertäler Lamm – Rücken und Ragout mit gefüllter Zwiebel und Topinambur. Ob Jus oder Saucen, alles war von superber Schlotzigkeit.
Hubert Retzbach arbeitet wunderbar ausgewogen, setzt mit feinfühliger Hand Würz-Pointen und lässt die Aromen sinnlich spielen. Eine solch liebevolle und von der Natur beseelte Küche wie in der Zirbelstube fand man nicht oft. Dafür schienen 1 Stern im Michelin und 16 Punkte im Gault Millau zu wenig.
Inzwischen wechselte Hubert Retzbach nach über 30 Jahren von der Zirbelstube in die nicht weit entfernte Jagstmühle nach Heimhausen und blieb somit im Hohenloher Land. Mit 56 Jahren folgte der dem Credo der Reife: Wenn nicht jetzt, wann dann? Es gab schon zuvor eine Zäsur, als Otto Geisel sein Hotel Victoria verkaufte. Denn gerade im kulinarischen Dialog mit der Wein-Koryphäe und dem stillen Genießer Geisel wuchsen beide, Retzbach & Geisel, zu einem so großartigen Gespann, wie man es nicht oft in der Gastronomie findet. Mit den neuen Besitzern des Hotels gab es keineswegs Streitigkeiten, doch ein Wechsel schien nach so langer Zeit verlockend, zumal die Jagstmühle einst ebenfalls von Otto Geisel geführt wurde.
Die Jagstmühle ist ein Idyll von Gasthaus. Optisch und kulinarisch indes angenehm verfeinert, ohne volkstümliche Folklore oder anbiedernden Provinzschick. Ein Wohlfühl-Refugium erster Klasse, mit nettem Service und sehr guten Weinen, wobei man hier die Württemberger trinken sollte (da es mehr als ein Glas sein darf, wäre es ratsam, gleich ein Zimmer im Haus mit zu buchen).
Hubert Retzbach bleibt seinem Stil und der Regionalität treu. Man erlebt nach wie vor sinnliche Gerichte voll enthusiastischer Kraft. Vieles, was man von der Zirbelstube kannte, gibt es jetzt auch wieder: Den Mäusdorfer Landgockel, das in Gewürzrotwein pochierte Filet vom Hohenloher Weiderind oder das Kotelette vom Mohrenköpfle-Landschwein. Sein erstklassiges Boeuf de Hohenlohe mit Filderkraut und Schupfnudeln servierte Hubert Retzbach übrigens auch Prinz Charles, als dieser kürzlich zu Besuch auf dem Schloss von Philipp Fürst zu Hohenlohe-Langenburg war.
Da Retzbach die Küche gemeinsam mit dem langjährigen Küchenchef der Jagstmühle Markus Reinauer führt, kann man aber so etwas wie eine Symbiose erleben. Die Küche hat im Grunde keineswegs an Finesse und Qualität verloren, stellt sich jedoch mehr in der Breite für ein etwas größeres Publikum auf. Dazu passen auch Zwiebelrostbraten, auf Rebholz geräucherter Bachsaibling mit Alblinsen, Kräutersalat und Meerrettichcreme oder Filetspitzen vom Hohenloher Landschwein und Hohenloher Weiderind in Champignonrahmsoße und handgeschabten Spätzle. Die neu aufgestellte Jagstmühlen-Küche giert nicht nach Auszeichnungen und arbeitet ganz entspannt im Hier und Jetzt. Aber auch das zeichnet sie aus.
Die Jagstmühle in Heimhausen ist nicht nur einen Umweg oder eine Reise wert – sie lohnt den Weg aus jedem Teil unseres Universums.
Ludwig Fienhold/Peter Lunas
Jagstmühle
Jagstmühlenweg 10
74673 Heimhausen
Telefon +49 (0) 79 38/90 300
Telefax: +49 (0) 79 38/90 30 33
Zimmer 60 – 145 €