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Bahnhofsviertel-Gastronomie Frankfurt: Ist der Zug abgefahren?

Das neue Lokal Yaldy

macht Hoffnung

 

Viele Todesfälle und

zwei Neueröffnungen

 

Von Ludwig Fienhold

Das Vingtneuf an der Elbestraße und seine massive lange Theke mit gutem Vermouth sind passé. In einer solch kaputten Straße ist das Zusammenleben von Junkies, Kriminellen und Gastronomen schwer erträglich und kaum möglich. Die Black Dog Bar am Wiesenhüttenplatz hatte mangels Konzeption und schlechter Location keine Chance und biss sich selbst weg. Das Maxie Eisen in der Münchner Straße mit Bar Food und fetter Pastrami überzeugte uns nicht wirklich, wechselte den Besitzer und hat nicht wieder aufgemacht. Das wunderbar plüschige Cabaret Pik Dame, auch in düsteren Zeiten schon immer ein Lichtblick im Bahnhofsviertel, hat seine Renovierung bis heute nicht abgeschlossen und bleibt geschlossen. Walon & Rosetti in der Moselstraße waren die Pioniere der neuen Gastronomie im Frankfurter Bahnhofsviertel und haben den Grundstein für den Wandel und die Attraktivität gelegt. Radu Rosetti und Henry Walon trennten sich zu schnell, Radu betrieb das Lokal alleine weiter und überzeugte eine ganze Zeitlang mit spannender orientalisch gewürzter Küche und guten Weinen, was in diesem Quartier so nie zu erleben war. Aus dem Walon & Rosetti wurde jetzt das Yaldy, bei dem bekannte Protagonisten aus der Szene die Regie übernommen haben. Radu hat sich aus dem Quartier verabschiedet und arbeitet inzwischen im Lokal „Das Leben ist schön“ an der Hanauer Landstraße.

Yaldy

Sieht man sich das Publikum im neuen Yaldy an, so scheint alles wie immer: Ein guter Querschnitt Frankfurter Typen mit weltoffener Haltung, Tendenz Shabby Chic. Die Theke ist nach wie vor das kommunikative Zentrum. Das angeschmuddelte Lokal wurde entstaubt und luftiger gestaltet. Die neuen Betreiber Michele Heinrich und Andrei Lipan gehören schon länger zum Viertel, Michele kommt aus der Kinley Bar, Andrei arbeitete schon bei Radu Rosetti und zeigt sich jetzt als engagierter Weinberater. In seiner kleinen offenen Küche saust Oliver Selzer herum wie Turbo-Specht Woody Woodpecker. Wenn er seinen überhitzten Kopf aus dem Pass streckt und mit großen Augen fragt, ob alles gut war, könnte man eigentlich nur schwer anders als das zu bestätigen.

Oliver Selzer und Maciej Szymacha

Oliver Selzer hat eine ebenso turbulente wie vielseitige Laufbahn hinter sich, arbeitete im formellen Francais im Frankfurter Hof, dem kreativen Biancalani und dem gemütvollen Landwehrstübchen, hatte mit dem Gickelschlag aber auch sein eigenes Lokal mit moderner Wirtshausküche. All das findet sich derzeit kaum in seiner Küche wieder, weil er noch auslotet, wo es eigentlich hingehen soll. Auffällig sind momentan der Hang zu Gemüse und bekannten Ingredienzen junger deutscher Küche (Pastinake, Graupen, Dashi). Positives Beispiel im Yaldy: Der im Grunde geschmacksarme Portobello-Pilz wird durch Misoschaum, Eigelb und Limettenabrieb zum Leben erweckt. So hat auch Vegetarisches Biss. Es wäre dennoch von Vorteil, wenn sich Oliver Selzers handfeste kluge Rustikalität von einst gegen den Kniefall vor ökologischer Korrektheit durchsetzen würde.

Yaldy, Moselstraße

Der schottische Begriff Yaldy steht für „Gelb“ und einen entsprechenden Vogel. Das signalisiert Barleben, wobei es ja auch Cocktails gibt. Doch das bieten auch andere in der Gegend, gute Weine aber nach wie vor nur wenige im Quartier. Der fein perlende und in Amphoren ausgebaute Pet Nat  Phaunus Bio-Rosé von Aphros Wine aus Portugal ist von einer eleganten Sommerfrische, die Lust auf eine ganze Flasche macht. „Faß 2“, ein richtig trockner, durchgegorener und mineralischer Saar-Riesling von Peter Lauer aus der Ayler Toplage gehört ebenfalls zum Repertoire und animiert auf erfrischende Weise. Muss man Chardonnay trinken? Und dann noch aus Deutschland? Der saftig köstliche, von sanfter Frucht und lustvoller Würze getragene Chardonnay 2019 von Becker-Landgraf aus Rheinhessen überzeugt auf den ersten Schluck. Beim schön gereiften Trettere 2014 von Wiegner aus Sizilien meint man den Rauch des Ätna zu spüren, der dem Wein eine verwegene Note verleiht. Rote Beerenfrucht und ein Hauch Vanille machen diesen Wein trotz Eigenwilligkeit leicht zugänglich. Beim zweiten Glas wird´s noch besser. Es gibt nicht viele Lokale rund um den Bahnhof, die so viel Spaß bringen, wie das Yaldy, also nichts wie hin.

Die Münchner Straße gehört noch zu den besseren Adressen im Bahnhofsviertel. Dort hat das persische „Babam“ eröffnet, das einen sympathischen Aufritt hat und sich durch Qualität absetzen will. Dies zeigt sich auch in diesem Fall bei der Weinauswahl. Riesling von Nick Köwerich von der Mosel, Grauburgunder von Bergdolt aus der Pfalz und der Footprint Shiraz aus Südafrika sind leicht trinkbare Genuss-Erlebnisse. Lammgerichte sind die Spezialität des kleinen Lokals, sympathisch auch, dass die Käse von L´ Abbate aus Offenbach verwendet werden.

 

Rotlicht & Blaulicht machen 

noch kein buntes Programm

 

Das Frankfurter Bahnhofsviertel wird von einigen Medien gehypt, denen die Realität offenbar unbekannt ist. Dort findet man Berichte über coole Locations und Straßenfeste. Gerade das alljährliche Straßenfestival im Bahnhofsviertel ist kein Statement, sondern schlicht ein banales Massenbesäufnis. Frankfurt liegt nicht an der Elbe, aber die Elbestraße ist ein drastisches Beispiel für das Kaputte in der Stadt. Man muss nicht einmal genau hinsehen, man riecht es an allen Ecken. Das Bahnhofsviertel ist ein Elendsquartier. Crack-Leichen pflastern die Wege. Siff und Suff. Die Politik muss ein Interesse daran haben, dass durch gute Gastronomie ein anderes Klientel angezogen wird, die das Quartier mit neuem gesunden Leben auffrischt und andere negative Elemente verdrängt. Eine solche Gastronomie sollte eine Subvention erfahren, denn es gehören Mut und Risikobereitschaft dazu, ausgerechnet in diesem an vielen Stellen unerträglich verwahrlosten Teil der Stadt etwas aufzubauen. Bislang ist es von Seiten der Stadt nur bei wirkungslosen Willensbekundungen geblieben. Ein paar Alibi-Razzien mit Blaulicht hier und dort oder läppische nutzlose Platzverweise kümmern Junkies und Dealer wenig. Das Kriminelle, Asoziale, Aggressive und Zerstörerische fühlt sich dort wohl, wo es auf ein geeignetes Umfeld in scheinbarer Kumpanei stößt, in dem es sich weitgehend ungestört platzieren und ausbreiten kann. Der Müll, die Stadt und der Tod. Das Rotlicht von einst hatte mehr Wärme.

 

Gastronomische Beispiele im Frankfurter

Bahnhofsviertel, die Hoffnung machen

und authentisch sind

 

 

Stanley Diamond, Ottostr. 16, Tel. 069 269 428 69

Das beste Restaurant im Bahnhofsviertel. Gute Küche von kreativer Rustikalität, anspruchsvolle Weinkarte mit Newcomern, Topservice, sympathische Wein/Cocktail-Bar vor der offenen Küche mit ideenreichen Kreationen und guten Offerten by the Glas.

 

Yaldy, Moselstr. 15. Tel. 069 2400 5716, Di-Do 18-1 Uhr, Fr & Sa 18-2 Uhr

Daseinsberechtigter Neuzugang mit salopper Kiez-Atmosphäre, gutgelauntem Gästen und frischen Wein-Ideen.

 

Babam, Münchner Str. 11, Tel. 069 2400 4455

Unkomplizierter Neuzugang, Bistrolike, aber engagiert.

 

Kinleys, Elbestr. 34, Tel 069 271 076 70

Die magischste und intimste Bar Frankfurts. New Yorker Speak Easy Feeling, spannende Drinks.

 

Bar Shuka, Niddastr. 56, Tel. 069 2566772280

Orientalisches Lokal mit lebhafter Basar-Stimmung und flirrenden Tel-Aviv-Flavours.

 

Ameron Hotel, Neckarstr. 7-13, Tel. 069 756 660

Kein gewöhnliches Hotel, ein historisches Ensemble, würdevoll und witzig zugleich. Ein Must-Sleep.

 

7 Bello, Niddastr. 82, Tel. 069 236 099

Schräges Napoli auf kleinstem Raum, sexy Pizza Old School und Pasta satt, grausliche Weine. Dennoch: Wir müssen immer wieder hin.

 

Mey Wein Bar, Elbestr. 18, Tel. 069 233 127

Aus einer alten Puff-Bar wurde ein charmantes kleines Weinbistro mit guten Winzern sowie Fisch/Meeresfrüchte-Gerichten, unter denen die türkisch-würzigen besonders zu empfehlen sind.

Photocredit: Fienhold