Ay Caramba: Service-Clash in Spanien
Gute Mitarbeiter sind auch
in Marbella eine Rarität,
aber es gibt sie
Selbst im serviceschwachen Spanien ist ein solch gruseliger Zombie-Service wie im Marabierta in San Pedro bei Marbella selten. Gäste werden hier wie Störenfriede behandelt, die den mürrisch-schläfrigen Service aufzuwecken drohen. Wir wollten uns die Kellner mit einer Flasche Cava Granoma Imperial nett trinken, was aber auch nicht gelang, weil man ihn entweder aus viel zu kleinen und schmalen Gläsern oder gleich aus Rotweinhumpen trinken musste.
Spanische Kellner bedienen nicht gerne, sie sind zu Höherem geboren und hassen im Grunde ihren Beruf. Deshalb verachten sie stellvertretend für ihren Fehler die Gäste. Die Kellner sind entweder so träge, als hätten sie bereits die Wüste von Tabernas durchquert, oder so schnell, dass man seine Teller mit dem Essen festhalten muss. Unter allen Servicekräften in der Welt erscheinen die aus Spanien am merkwürdigsten, ja oft sogar am überflüssigsten. Als Gast würde man sich sein Essen lieber selbst am Pass an der Küche abholen.
In den spanischen Touristenorten wechseln viele Mitarbeiter im Service nach nur einer Saison, niemand fühlt sich in dieser Zeit für irgendetwas verantwortlich. Die gespielte Lässigkeit ist längst zu einer systematischen Nachlässigkeit geworden. In den Beach Bars und Chiringuitos versucht man mit lauter Musik von Servicefehlern abzulenken – die Rufe der Gäste hört ja niemand. Aber die Nachlässigkeiten sind längst auch in den Spitzenrestaurants angekommen. Es herrscht mitunter eine Arroganz, die diametral den eigenen Leistungen gegenübersteht. Selbst hohe Trinkgelder werden höchstens mit einem zustimmenden angedeuteten Kopfnicken entgegengenommen.
Auch der völlig unzulässigen „Glaskultur“ steht der Service gleichgültig gegenüber. Die meisten Kellner können es nicht verstehen, wenn man für Rotwein andere Gläser als für Weißwein möchte und für Cava/Champagner keine schmalen Flöten, sondern eher bauchige Gläser verlangt. Im Großraum Marbella und überhaupt an der ganzen Costa del Sol ist es ratsam, sich beim Lokalbesuch seine eignen Gläser mitzubringen, sonst wird man um sein Trinkvergnügen gebracht.
Dass es auch anders geht, dokumentieren positive Beispiele aus Estepona, San Pedro und Ronda. Das servicestarke Kempinski in Estepona zeigt in seinem Beach Restaurant Spiler wie einsatzfreudig weibliche, aber auch männliche Mitarbeiter sein können. Vorbildliche Wein- und Serviceleistungen offenbart die G-Wine Bar in San Pedro, das beste Lokal dieser Spezies zwischen Malaga und Estepona. Eine vorbildliche Weinkarte, gute Wein/Cava-Gläser und korrekte Trinktemperatur sind dort eine Selbstverständlichkeit. Beratungen, woanders mangels Kenntnissen gar nicht erst möglich, gehören zur gastronomischen Grundausstattung. Ebenso der Probierschluck und die Frage, ob diesen der Mann oder die Frau haben möchte. Dass man bei den offenen Weinen mit der ganzen Flasche an den Tisch kommt, ist in der G-Wine Bar natürlicher Gästeumgang.
Die „Mitarbeiterin des Jahres“ entdeckten wir im Tapas-Lokal Tragatá in Ronda, das von Benito Gómez geführt wird, der in dem spektakulären Felsennest oberhalb von Marbella noch das 2-Sterne-Restaurant Bardal betreibt. Mit einem solch breiten Lächeln wie von der herzlichen und professionellen Thais wurden wir in keinem Lokal an der Sonnenküste begrüßt. Sie führte mit einer beschwingten Leichtigkeit durchs kulinarische Programm und wusste jeden Gang bis ins Detail lustvoll zu erklären. Dass die mehrsprachige Mitarbeiterin auch über die Weine gut Bescheid wusste, machte sie uns noch sympathischer. Man erlebt selbst in den spanischen Tourismushochburgen noch gute Servicekräfte, man braucht neben Entdeckungsfreude nur viel Geduld und Geld, bis man sie gefunden hat.
Ludwig Fienhold
Fotos: Barbara Fienhold