Abrissbirne: Die Ente im Nassauer Hof in Wiesbaden verliert ihr Gesicht
Grandhotel Nassauer Hof in Wiesbaden spielt verrückt
Kommentar
von Ludwig Fienhold
Es ist unglaublich. Das schönste Schmuckstück im Restaurant Ente und im ganzen Hotel Nassauer Hof, die von Anekdoten und Sagen umwehte Bartheke soll abgerissen werden und auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Ich bin kein Klimakleber, werde mich aber an der Theke anketten, um meinen Protest gegen diesen unsinnigen Akt der Vernichtung auszudrücken. Hinter dieser Entscheidung steckt kein kluger Kopf, sondern eine Abrissbirne.
Es heißt, die Beseitigung der Bartheke sei notwendig, um die Küche zu erweitern. Wie bitte? Das Restaurant wird seit 45 Jahren mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet und benötigt weniger eine andere Küche als mehr ein größeres Küchenteam.
Genau diese Bar aber ist als Profitcenter unentbehrlich. Dort wurden mehr Champagner und große Weine getrunken als irgendwo im Hotel. Dort fanden mehr heitere, intime und besinnliche Gespräche statt als in ganz Wiesbaden. Und dort fühlte sich jeder Gast wohler als in jeder Suite.
Das Grand Hotel Nassauer Hof ist längst ein anderes geworden und gehört zu Dorint, wobei die Immobilie inzwischen an die Avila Gruppe verkauft wurde. Völlig egal, es entwickelt sich etwas in eine Richtung, dass die Klientel des Nassauer Hofs mehr als nur irritiert. Das Hotel wird Ende 2025 wegen einer Renovierung für zwei Jahre geschlossen. Auch die Ente soll einem Facelift unterzogen werden, obwohl sie das schönste Restaurant Deutschlands ist. Das prägnante Deckengemälde bleibt wohl erhalten, nicht aber die Bartheke. Ungewiss ist auch die Zukunft der Ente. Sie soll zunächst als Pop-up bestehen bleiben, aber eben nicht in Wiesbaden, sondern irgendwo anders. Aber die Ente ist nur die Ente mit dieser grandiosen Terrasse, der fabelhaften Bartheke und dem Küchenchef Michael Kammermeier, dessen Zukunft in den Sternen steht, die schon gar nicht der Michelin zu deuten vermag.
Fotos: Fienhold, BISS Magazin