Stütze für die Topgastronomie | BISS

Stütze für die Topgastronomie

Witzigmann Titelbild 1

Witzigmann und Ducasse fordern Subventionen

 

Gleich zwei Stars unter den Weltköchen haben es postuliert: Spitzenrestaurants sollten subventioniert werden. Das wollen Alain Ducasse und Eckart Witzigmann. Sie meinen, dass hervorragende Lokale auch hervorragende Werbeträger für eine Stadt, eine Region, ein ganzes Land sind und deshalb finanzielle Unterstützung verdient hätten. Wenn man bedenkt, dass andere Kulturstätten wie Museen, Kunsthallen, Theater oder Literaturhäuser mit öffentlichen Geldern wirtschaftliche Hilfe erfahren, liegt der Gedanke auch nahe. Offenbar aber gehören Toprestaurants nicht zu den Kulturgütern und haben keinen höheren Stellenwert als Imbissbuden. Die Stadt Langen, die außer dem Drei-Sterne-Koch Juan Amador wirklich nichts zu bieten hatte, hätte gut daran getan, ihr einziges Aushängeschild in irgendeiner Form zu unterstützen und zum Bleiben zu bringen.

Alain Ducasse

Was Witzigmann sagt hat Gewicht. 1979 erhielt er als erster deutscher Koch drei Michelin-Sterne im Restaurant Aubergine in München, 15 Jahre später krönte ihn der Gourmet Guide Gault Millau zum „Koch des Jahrhunderts“. Da Spitzenküche als Touristenattraktion gilt, sollten sie auch staatliche Finanzhilfen bekommen, meinte der Altmeister. Als wir Eckart Witzigmann kürzlich in Erno´s Bistro in Frankfurt trafen, bedauerte er zudem, dass bei uns die Menüs in Toprestaurants nur die Hälfte von denen in Paris, London oder New York kosten würden. Gegenüber der „Wirtschaftswoche“ äußerte er seinen Unmut darüber, dass die deutsche Politik nicht genussfreundlich wäre und sich nicht zur Spitzenküche bekenne. Witzigmann selbst ist ein Beispiel dafür, wie die Politik Spitzenköche nicht nur vernachlässigt, sondern geradezu mies behandelt. Während der sogenannten Kokain-Affäre im Jahre 1993 wurde Witzigmann wie ein Schwerverbrecher behandelt, der damalige Bürgermeister Georg Kronawitter und der seinerzeitige Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber zwangen ihn zur Schließung der weltberühmten Aubergine und mobbten ihn aus München. Ausgerechnet Witzigmann, der wie kein anderer, und schon gar kein Politiker, für die Stadt München als Weltklassekoch eine Attraktion war. Wenn man noch heute darüber nachdenkt, fällt einem der derbe Spruch des Malers Max Liebermann ein: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte“. Eckart Witzigmann, der jetzt am 4. Juli 70 Jahre alt wurde, hat in Alain Ducasse einen Mitstreiter, der schon länger die Förderung von Spitzenköchen und Talenten durch staatliche Gelder fordert.

Juan Amador

Die Idee von der Subvention für Spitzenrestaurants ist indes zu schön, um wahr zu sein. Wenn sie auch im Grunde gerechtfertigt sein mag, so muss man jedoch deren Umsetzung bezweifeln. Natürlich würden sich deutsche Politiker ohnehin nicht zu einem solchen Schritt entschließen, eher würde sie das Züchten von Goldhamstern subventionieren. Man muss jedoch nicht lange überlegen, um zu erkennen, wie absurd selbst eine Subventionierung aussehen würde. Allein die vielen Gremien und Behörden, die solches zu entscheiden hätten, würden zu Appetitzüglern. Wir haben auch so schon die Politik satt, wie würde sie uns erst mit einem kulinarischen Absurdistan den Magen umdrehen. Wer soll denn entscheiden, welche Spitzenküchen staatliche Gelder bekommen – Curry-Wurst-Merkel, Magerquark-Westerwelle, Grünkern-Trettin? So gerne man für Subventionen für Spitzenrestaurants auch wäre, so deutlich zeigt die Wirklichkeit, dass dies nur wenig Sinn machen würde. 

Ludwig Fienhold

 

 

Keine staatliche Förderung für Spitzenküche

 

Marc Haeberlin

Man redet ja oft von der Kochkunst. Ist Kochen nicht Kunst und damit vielleicht förderungswürdig? Kunst, egal ob Malerei, Dichtung oder Ballett, dient dazu den Menschen zu erfreuen. Wir verfügen deshalb zunächst einmal über zwei Kunstsinne: Auge und Ohr. Nase und Zunge sind hingegen Streitfälle: Wer würde Herstellung und Verkauf eines Parfums als „Kunst“ empfinden? Die Küche, das gilt auch für die höchsten Sphären der Gastronomie, erfreut und ernährt im Idealfall, verfolgt damit also auch ganz pragmatische Ziele. Folgerichtig ist ein Restaurant ein Gewerbebetrieb, was man von einem Museum, einem Literaturhaus oder einer Konzerthalle kaum sagen kann.

Gerade das vermeintliche „Kunstkochen“ hat der Branche viel Schaden zugefügt. Weil es reelle, nachvollziehbare Werte wie den Wareneinsatz sowie Kosten für Service und Ambiente einfach  von der Preisgestaltung abkoppelt. Es zähle jetzt, so heißt es, auch und vor allem die intellektuelle Leistung. Umgerechnet auf die Anzahl der Tische und die Lebensdauer der Karte ist die intellektuelle Leistung eines Kochs in einigen anerkannten und gut frequentierten Spitzenlokalen also mehr wert als z.B. die eines Chefarztes oder eines Spitzenanwalts. Wird der durchschnittliche Gast vor einer Reihenfolge aufgeräumter Tellerchen dafür Verständnis zeigen? Und wenn nicht – muss der Staat für dieses Unverständnis einspringen? Hinzu kommt, dass gerade die oberen Regionen der Gastronomie von vielfältiger „Werbung“ profitieren, die im Idealfall kostenlos ist oder zumindest sein sollte: Guides, Food-Magazine und Tageszeitungen sowie Fernsehsendungen auf allen Programmen berichten über ihre Leistungen. Noch nie war das Medien-Interesse am Kochen so groß. 

Joel Robuchon

Andere, anerkannte Kunstrichtungen wie Ballett oder Oper werden im Vergleich dazu mit wenig Aufmerksamkeit bedacht, mit etwas Glück dürfen Veranstalter auf einen Themenabend bei Arte oder einen Platz im Nachtprogramm hoffen. Ist es wirklich Aufgabe des Staates, diesem Kochboom noch finanziell unter die Arme zu greifen?  Und: Wer bestimmt denn, was die subventionsberechtigte Spitzengastronomie ist und wer dazu gehört? Der Guide Michelin? Ein Gremium von Köchen? Die Liste der San Pellegrino 50 Best Restaurants? Werden Beamte eine dreißigseitige Checkliste zum Erkennen kulinarischen Talents festlegen? Der Willkür wären keine Grenzen gesetzt.  Wahrscheinlich ist, dass eingespielte Netzwerke die öffentlichen Gelder einstreichen würden, vielleicht als verkappte Subvention in Form von Honoraren für eine „Präsentation deutscher Kochkunst“ auf einer Touristikmesse im Ausland. 

In Frankreich trommelt das „Collège culinaire de France“ um Staatsgelder.  Zu diesem erlauchten Kreis zählen die Küchenfürsten Alain Ducasse, Joel Robuchon, Yannick Alleno, Alain Dutournier, Gilles Goujon, Marc Haeberlin, Régis Marcon, Thierry Marx, Gérald Passédat, Laurent Petit, Anne-Sophie Pic, Guy Savoy sowie die Ehrenmitglieder Paul Bocuse, Michel Guérard und Pierre Troisgros. Ich schätze die meisten dieser Köche und esse gern in ihre Restaurants. Aber man kann sich auch mit wenig Fantasie vorstellen, wer von diesem Geldsegen, wenn er denn eintrifft, einmal profitieren würde. Es wäre eine Subvention zur Sicherung des Status Quo. Die Stars der Branche profitieren, junge Talente bleiben außen vor.  

Thierry Marx

 

 

 

Hilfe durch Senkung der Mehrwertsteuer ?

 

In Frankreich gewährte Staatspräsident Sarkozy allen Wirten am 1. Juli 2009 eine massive Mehrwertsteuersenkung. Statt 19,6% „TVA“ standen jetzt nur noch 5,5% auf der Rechnung, außer beim Wein, für den weiter der höhere Steuersatz gilt. Im Gegenzug hatten sich Frankreichs Wirte zur Schaffung von 40.000 Arbeitsplätzen, Gehaltserhöhungen für Angestellte und Senkung der Rechnungen verpflichtet. Schnell hatten Fast-Food-Restaurants, günstige Ketten  und große Brasserien tatsächlich die Preise gesenkt. Doch leider tricksten viele unabhängige Wirte zu Lasten des Gastes: Wer sein Lokal mit dem offiziellen Siegel „Die Steuer sinkt, die Preise auch“ schmücken wollte, musste den Preis von gerade mal sieben Posten auf der Karte reduzieren. Billiger wurde durchgehend zunächst der Espresso. „Außerdem bieten wir die Gerichte, die sich am schlechtesten verkaufen, jetzt günstiger an“ erklärte mir eine Pariser Serviererin mit verblüffender Offenheit. Nicht wenige Küchenchefs hatten die Mehrwertsteuersenkung antizipiert: Sie setzten im März die Preise hoch und rührten danach die Werbetrommel für ihre Sparmenüs – schließlich waren die Preise auf das Niveau des ersten Quartals gefallen. Auf den Karten der weitaus meisten Restaurants der besseren Klasse korrigierte niemand die Preisspalte. Gerade die Ikonen der sogenannten Spitzengastronomie gingen mit schlechtem Beispiel voran. Sie senkten z.B. den Preis ihrer Desserts von strammen 24 Euro um vier Euro. Der Vereinbarung war Genüge getan, die Mega-Marge bei der Nachspeise blieb. In Wahrheit war die Senkung der Mwst. ein klassisches Steuergeschenk in Höhe von etwa 2,5 Milliarden Euro. Das Problem: Die Franzosen haben es gemerkt. Auf den Internetforen der großen Tageszeitungen maulen die Gäste zu Hunderten noch heute über die Preispolitik der Wirte. 

Eckart Witzigmann

Sicher, einige der Akteure der Spitzengastronomie haben Probleme. Aber die Gastronomie lebt vom Gast, nicht von der Subvention. Jeden Tag frequentieren Gäste Restaurants. Viele dieser Lokale sind erfolgreich – nicht nur beim Kochen, sondern auch wirtschaftlich. Andere Spitzenrestaurants werden von Hotels finanziert. Auch das kann betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, wenn das Lokal etwa verstärkte Aufmerksamkeit unter Medienvertretern und potenziellen Gästen für das Hotel generiert.

Wer in hehrer Selbstüberschätzung meint, er könne durch seine bloße Anwesenheit ein Industriegebiet in ein Feinschmeckerparadies verwandeln, wer  am Publikum vorbeikocht, wem das Ausleben seiner kreativen Ambitionen wichtiger ist als die Zufriedenheit der Gäste, der soll zur Belohnung nicht in den Geldbeutel des Staates greifen dürfen.

Jörg Zipprick

 

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