Russland essen Köche auf | BISS

Russland essen Köche auf

Alain Ducasse eröffnet Restaurant in St. Petersburg

 

Kein Glück für Kreative in Moskau

 

Heinz Winkler hat es vergeblich versucht und auch Juan Amador ist an Moskau gescheitert. Der Drei-Sterne-Kollege Michel Troisgros konnte mit seinem Restaurant Koumir ebenfalls nicht Fuß fassen. Jetzt hat der Superstar unter den Weltköchen, Alain Ducasse, ein Restaurant in St. Petersburg eröffnet. Im „miX“ im Hotel „W“ wird mit russischen Produkten klassisch französisch gekocht. Aber nicht nur, Franzosen kommen nicht ohne Trüffel aus, weshalb es auch Dorade gibt, die mit Trüffel und Limone mariniert wurde. Rund 100 Gäste finden in dem neuen Restaurant Platz, wobei sie den Köchen bei der Arbeit zusehen können. Küchenchef Alexandre Nicolas arbeitet seit acht Jahren für Ducasse und ist mit dessen hohen Anforderungen und  klarem Stil bestens vertraut. Ducasse betreibt jetzt 28 Restaurants in acht Ländern auf der Welt. Das „W“ liegt im kulturellen Zentrum von St. Petersburg und verfügt über 137 Zimmer. Die vor zehn Jahren ins Leben gerufene Marke „W“ mit Sitz in New York ist die Nobellinie der Starwoodhotels mit Lifestylecharakter und modernem Design. Inzwischen gehören 36 Häuser in New York, Paris, London, aber auch auf der thailändischen Ferieninsel Ko Samui dazu.

Alain Ducasse

Doch Russland schöpft schon lange nicht mehr aus dem Vollen, Investoren sind wachsam geworden. Der Rubel rollt langsamer. Auch in Moskau. Von geplanten 16 Großbauprojekten, wie dem Russia Tower, wurden bislang fünf eingefroren. Das in unmittelbarer Nähe des Roten Platzes geplante Four Seasons Hotel sollte schon längst vor zwei Jahren eröffnen, ebenso überfällig ist das geplante Mandarin Oriental. Die Stadt wird jährlich von rund vier Millionen Besuchern belebt, wobei Deutschland den größten Anteil hat. Die relativ gute Belegung der Hotels ist vor allem dem Umstand zu verdanken, dass es insgesamt zu wenige Herbergen gibt. 200 Hotels bringen lediglich rund 35.000 Zimmer, von denen Schätzungen nach höchstens 8000 internationalem Standard entsprechen. Bis heute  gibt es gerade einmal eine Handvoll Luxushäuser, unter denen Ritz-Carlton und Baltschug Kempinski herausragen. Das 1905 erbaute Metropol, in dem schon Lenin logierte, wird inzwischen von Le Méridien betrieben und wirkt trotz schöner Fassade, Stuck, Marmor und antiken Möbeln beinahe unbewohnt und verschlafen. Die großen Hotels liegen alle in der Nähe des Roten Platzes und des Kremls.

W Hotel Terrasse

Moskau gehört zu den teuersten Metropolen der Welt. Die Stadt zeigt sich preislich auf dem Niveau von London, Paris oder New York, kann aber auf der Hotelebene bei weitem nicht mithalten. Es mangelt weniger an der Ausstattung und mehr an der Qualität und ganz besonders den Serviceleistungen. Die Zimmerpreise in der Luxusklasse bewegen sich zwischen 400 und 800 Euro, wobei man nun mit etwas Glück auch schon für 200 Euro Quartier beziehen kann. Die Restaurants waren noch nie so leer wie jetzt, die Hotelzimmer kaum günstiger.

Hotel Baltschug Kempinski Moskau

Das Baltschug Kempinski liegt zwar in der Nähe des Roten Platzes, wird aber vom Zentrum durch die Moskwa getrennt. Die Außenansicht ist imposant, schließlich wurde das altehrwürdige Haus 1897 noch unter dem letzten russischen Zaren erbaut. Von manchen der 230 Zimmer und Suiten blickt man auf den Kreml, den Roten Platz und die Basilius-Kathedrale. Das macht einen großen Teil der Stimmung aus, denn sonst erscheint das Hotel weit weniger beeindruckend. Wenn man etwas Bemerkenswertes an diesem Hotel feststellen kann, so ist es das Frühstück. Der Rest ist bestenfalls solider Durchschnitt. Vor langer Zeit hieß es einmal, dass 30 Millionen Euro zur Umgestaltung investiert werden würden. Entweder sind sie noch immer nicht geflossen oder sie haben wenig Wirkung gebracht.

Im Vergleich zu den anderen Hotels in Moskau schneidet das Baltschug Kempinski aber dennoch gut ab. Die gewachsene Tradition ist ein Trumpf. Und auch der Service erscheint erst im Lichte des Vergleichs als positiv. Man sieht kaum einen Kellner in dieser Stadt lächeln, beim Frühstück im Baltschug Kempinski aber schon. Eine solche Armada an frisch gepressten Säften, wie beim Frühstücksbuffet in diesem Hotel, gibt es zudem mehr als selten – Apfel, Melone, Karotte, Ananas, acht an der Zahl. Russischer Schaumwein, Blinis mit Forellenkaviar und Crème fraîche sowie sehr gute Eggs Benedict demonstrieren weit mehr als Standard. Das Frühstück ist jedenfalls seine 40 Euro wert. Ende des 19. Jahrhunderts war das Hotel nicht nur eine noble Herberge, sondern vermietete außerdem Appartements und Studios an Künstler. 1932 konnte man schon Gäste auf sieben Etagen unterbringen, wobei das Haus in Sowjetzeiten ein staatliches Intourist-Hotel war. Nach einer großen Renovierung wird das historische Haus seit 1992 als Hotel Baltschug Kempinski geführt, wobei die Gruppe zu einem Drittel zur Eigentümergesellschaft gehört.

Das ehemalige Restaurant von Heinz Winkler im Ritz-Carlton in Moskau

Baltschug-Direktor Gianni van Daalen, der das Hotel nach fünf Jahren verlassen hat, konnte sicher vieles verbessern. Doch kaum jemand kommt gegen den Moloch Moskau an, der durch Behördenwillkür, Bürokratie und Korruption das Leben schwer macht. Es ist auch kein Zufall, dass nicht wenige Hoteliers und Gastronomen nach anfänglichem Engagement einen Salto rückwärts machten und ihre Moskau-Pläne aufgeben mussten. Beispielsweise der Drei-Sterne-Koch Juan Amador, der in einer alten Villa in der Nähe des Roten Platzes ein Spitzenrestaurant etablieren wollte. Deutsches Know-how ist gefragt, wird aber auch gerne ausgenutzt. Ausländische Investoren sind willkommen, haben jedoch mitunter schnell ausgedient und müssen russischen Platz machen. 

Auch Hotelier und Spitzenkoch Heinz Winkler versuchte in Moskau sein Glück – sein Name stand über zwei Jahre hinter dem „Jeroboam“ im Ritz-Carlton, dem schicksten Restaurant im mondänsten Hotel der Stadt.  Die Zusammenarbeit wurde indes beendet und das „Jeroboam“ geschlossen. Dennoch hat derzeit kein Hotel mehr Glanz zu bieten als das Ritz-Carlton. Hier ist Moskau so wie man es sich vorstellt: Neureich, glitzernd, pompös, einfach Größeniwan. Bei Pomp und Plüsch treffen sich Petro-Scheichs und Rubel-Oligarchen und versinken in samtigen Fauteuils. So richtig prickelnd finden dies aber offenbar nicht allzu viele. Das Hotel könnte jedenfalls besser besucht sein. Die Preise von 768 bis 846 Euro für die Zimmer wirken auch nicht unbedingt einladend. Die Ritz-Carlton Suite ist mit 237 Quadratmetern etwa fünfmal so groß wie die Standardzimmer und verlangt nach 9.572 Euro. Derzeit gibt es kein größeres Luxuszimmer in Moskau. Mit etwas Glück kann man aber ein Zimmer am Wochenende schon für 330 Euro bekommen. Ohne Frühstück.

Ex-Restaurant Jeroboam von Heinz Winkler

Die bislang teuerste Hotelstadt der Welt musste aber umdenken und hat die Preise spürbar gesenkt. In einigen Fällen macht dies fast 40 Prozent aus, womit die Durchschnittsrate in der Stadt auf 164 Euro gedrückt wurde. Dafür haut man mit dem teuersten Frühstück der Welt auf den Putz. Für rund 1000 Euro dürfen sich Gäste an Wagyu-Beef, Foie Gras-Pastete, Beluga Caviar, Trüffel-Omelett und Champagner à discrétion erfreuen. Das feudale Zaren-Frühstück wird von der russischen Society ganz gut angenommen. In dem 2007 eröffneten Ritz-Carlton glamourt es jedenfalls gehörig. Dazu passt auch das weibliche Personal im Modelformat. Die 334 Zimmer sind so nobel ausgestattet, wie man das von Ritz-Carlton erwartet. Besonders wirkungsvoll aber sind jene mit Aussicht auf den Roten Platz. Die Dachgarten-Lounge im zwölften Stock ist in vielerlei Hinsicht der absolute Höhepunkt. Das üppige Panorama mit Rotem Platz und Kreml wäre auch von ein paar Gartenstühlen aus beeindruckend. Doch wurde ein optisch reizvolles Lokal aus Glas, Stahl, weißem Leder und kaffeebraunem Holz aus Westafrika geschaffen, in dem Vodka-Cocktails, Sushi sowie Fisch und Steaks vom Grill serviert werden.   

Roter Platz in Moskau

Moskau hat viel zu bieten, allein der Rote Platz inszeniert sich wie ein pompöses Schauspiel. Dass man unmittelbar am Lenin-Mausoleum einmal lässig Prosecco trinken und westliche Atmosphäre inhalieren kann, hätte zu Sowjetzeiten niemand für möglich gehalten. Gemessen an der touristischen Bedeutung ist die mit über zehn Millionen Einwohnern größte Stadt Europas aber noch in der Entwicklungsphase – bislang sind nur die Preise ganz oben angekommen. Dies drückt sich am deutlichsten in den Taxitarifen aus. Für eine Fahrt vom Roten Platz bis zum sehr nahen Café Puschkin, die keine vier Minuten benötigt, zahlt man 23 Euro. Wenn man Pech hat oder nicht aufpasst, sogar das Doppelte. Die meisten Taxameter sind frisiert, einen seriösen Fahrer zu finden ist nur schwer möglich. Auf diesen Straßenraub angesprochen, meinte der Concierge vom Baltschug Kempinski achselzuckend, dass dies für Moskau normal sei. Wenn solche kriminellen Auswüchse jedoch nicht unterbunden werden, wird Moskau Besucher abschrecken, was die Zeiten auch für Hotels und Restaurants noch schwerer macht.

LF

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