Frankfurter Operncafé im neuen Look | BISS

Kategorie | 2011, September 2011

Frankfurter Operncafé im neuen Look

Operncafé

Morbidezza adieu!

Alte Diva geliftet


Wer hätte das gedacht: Die alte Diva hat sich einem Facelift unterzogen. Das wunderbar morsche Operncafé wurde jetzt auf seine alten Tage noch einmal aufgefrischt. Dabei hat sich das Lokal verändert, ohne viel von seinem Charakter zu verlieren, wenngleich die ergreifende Morbidezza entschwunden ist. Die Speisekarte ist mit Absicht noch so gestrig, um die vielen angestammten Gäste nicht zu verlieren. Ob man damit aber neue Gäste begeistern kann? Auch bei den Weinen ist Nachbesserung gefragt, wenngleich es mit dem Ruinart einen guten Champagner gibt, der auch glasweise zu haben ist.

Die schwungvollen Straßenbahnbänke sind geblieben, die alte Theke wurde abgerissen und durch eine neue auf der anderen Seite ersetzt. Jetzt ist noch mehr Platz an der Bar, wo jeder auch nur auf ein Glas Wein willkommen ist. Das Operncafé lebt von seinen Stammgästen, die den zeitlosen französischen Charme schätzen“, erklärt der gastronomische Leiter Omid Enj„Wir wollen nur insgesamt etwas lockerer werden. Besucher sollen nicht das Gefühl haben, dass sie bei uns unbedingt toll essen müssen. Sie sind auch herzlich willkommen, wenn sie einfach auf ein Glas Wein, einen Espresso oder zu Kaffee und Kuchen vorbei schauen.“

Auffälligste Veränderung ist die Bar, die den Raum großzügiger wirken lässt. Auf den lederbezogenen Hockern und der Sitzbank finden nun Leute rund um die Bar Platz. „Die Gäste können zum nächtlichen Warm-up zu uns kommen, bevor sie weiter ins Nachtleben ziehen“, sagt Enj. Das ahorngebeizte Holz der Theke verbindet sich elegant mit Verzierungen aus Messing und schwarzem Lack. An der Rückwand streckt sich ein mit Spirituosen gefülltes Regal in imposante Höhe. Vieles blieb, wie es war: Die eckigen Tische mit ihren Holzstühlen, Yves Montand als Kellner in Garçon! auf dem großen Filmplakat. Der dunkle Parkettboden, die mit Stuck verzierten Wände, die auf Pariser Flohmärkten zusammengesuchten Wandlampen. Im hinteren Teil wurden die Bänke durch gepolsterte Ledersitze ersetzt. Ihre warmen Auberginetöne bilden einen reizvollen Übergang zum frisch geschliffenen dunklen Parkett und den hölzernen Weinschränken. Man entdeckt auch eine neue Tapete, Fotografien alter handschriftlich verfasster Briefe bilden ein nostalgisch anmutendes Muster.

Die sanitären Anlagen wurden vollständig erneuert. Manch ein Gast mag vielleicht sogar die quietschende Tür auf dem Weg zur Toilette vermissen. Dafür begleiten jetzt schwarz-weiße Fliesen und rutschfeste Treppen den Gang ins stille Örtchen. Eine neue Sensortechnik neutralisiert Gerüche. Es duftet nach frischen Orchideen. Im Operncafé waren schon immer jene zu Hause, die wichtig waren oder sich wenigstens für wichtig hielten – viele Jahre hieß das Lokal deshalb auch Café Wichtig. Es gab aber auch echte Prominenz, „Michael Gorbatschow saß hier genauso wie Luciano Pavarotti, Tom Jones, Mario Adorf oder Wladimir Klitschko“, erzählen die Inhaber, Mario Saravini und Siggi Schneider.

Alte Oper

An warmen Tagen besuchen bis zu 300 Gäste die Terrasse des Hauses. Der Mix des Publikums repräsentiert die Stadt: Chinesische Touristen, internationale Geschäftsleute oder hippe Teenager sitzen vis-à-vis vom Opernplatz, mit der Alten Oper und der Frankfurter Skyline als Kulisse. Der einstige Besitzer Hartmut Schimann entdeckte schon 1980 das Potential des Ortes. Kurzerhand verwandelte er die damalige alte Bücherei in das jetzige Operncafé. Saravini und Schneider übernahmen das Lokal dann 2005, gemeinsam mit den zwei benachbarten Restaurants Charlot und Piu Allegro. „Wir haben den Anspruch, französische Metropolenkultur zu leben. Vorbilder sind das Balthazar in New York oder Café de Flore in Paris“ erklären die Inhaber. Zwei sehr große Vorbilder, wobei das Café de Flore vor allem durch seine Künstler und Intellektuellen berühmt wurde, die bislang im Operncafé eher weniger zu sehen waren.

Operncafé, Opernplatz 10–12, Frankfurt, Tel. 069/ 28 52 60, www.operncafe-frankfurt.de

Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 9 – 1 Uhr, Sonntag 10 Uhr bis 1 Uhr.

Bild oben rechts: Michael Hohmann


Der Opernplatz

Wo der Stenz auf Brautschau geht


Die Gastronomie auf dem Opernplatz kann man leider nicht in höchsten Tönen loben. Im Grunde ist sie eine Posse. Anspruchsvolle müssen sich fern halten oder tapfer mitspielen. Man könnte hier auch nur Würstchen verkaufen und die Gäste kämen trotzdem, um zu sehen, wer wieder den kürzesten Rock und die güldenste Kette spazieren führt. Frankfurts größte Sonnenbank ist ungeachtet jeglicher kulinarischer Leistungen immer gut besucht. Prahlemann & Söhne gehen hier bevorzugt auf Brautschau. Die Stadt zeigt sich an dieser Stelle von ihrer schicksten Seite. Wo hübsche Damen tafeln, isst auch das Auge mit. Das Lokal als Beauty Salon. Das Operncafé ist ein unverschämt schönes Lokal mit Aussicht auf die Alte Oper. Pariser Charme lugt aus jeder Ritze, und Yves Montand lächelt dazu milde von der Wand. Den Chef nannte mal jemand einen „multilingualen Schlawiner“, wobei das mit der Mehrsprachigkeit weniger vielsagend ist. Man kann im Operncafé lässig seinen Cappuccino gegen den Uhrzeigersinn rühren und die Zeit zerfließen lassen. Ganz ohne Schaum vorm Mund, mögen auch manche Preise dazu verleiten. Ein Glas Champagner ist Pflicht, da schäumt es sich stilvoller. Mittags und abends ist das Lokal gut besucht, die Zeit dazwischen ist die reine Erholung. Mann kann aber immer etwas entdecken. Man sieht sich. Es gibt viele ältere Stammgäste, von denen man dachte, dass sie schon gar nicht mehr da sind. Die Kellner scheinen auch schon ewig im Dienst zu sein. Alles an diesem Lokal ist eitel und selbstherrlich, doch auch irgendwie unsterblich.

In dem nur einen Champagnerkorkenflug entfernten Charlot sitzt man in der ersten Reihe, weil die Terrasse den Anfang von vier nebeneinander liegenden Lokalen macht. Auch ein schönes Lokal, sehr pariserisch. Das Essen ist Glückssache. Die Preise liegen im Niveau deutlich höher als die Küchenleistungen. Wegen des Essens geht auch kaum jemand dorthin, irgendwie genießt Mario einen Sympathiebonus. Den hat er sich auch damit verdient, dass er einem notleidenden Künstler wie Peter „Hamlet“ Kuper immer einen Teller Pasta spendierte. Das schreibende und malende Stadtoriginal hat ein wunderschönes Bild vom Charlot hinterlassen, das leider nicht im Lokal hängt und einem Raub zum Opfer fiel. An den Wänden hängen mehr oder weniger bekannte Gesichter, aber keines vom Format eines Hamlet. Man bringt sich gerne ins Gespräch. Michel Friedman bekäme keinen Stuhl mehr, hieß es einst.  Dann aber verkündete Mario, dass er selbstverständlich willkommen sei, nur nicht Anspruch auf einen Stammplatz habe. So geht die „Reise nach Jerusalem“ in Frankfurt. Die muntere Atmosphäre lockte sogar Marcel Reich-Ranicki aus seinem Elfenbeinturm, der im Charlot ins Fleisch schnitt, als läge Martin Walser auf dem Teller. Ein passables Glas Wein, obendrein noch ein korrekt temperiertes, wird man am Opernplatz kaum bekommen. Darüber scheint sich aber niemand aufzuregen. Die Weinauswahl gegenüber von Charlot und Operncafé ist ebenfalls nicht berauschend. Wer sein Lokal „Kubu“ nennt, von dem darf man keine Phantasie erwarten. Vor dem Restaurant hat man jetzt einen Strand angelegt, aber auch so ist genügend Sand im Getriebe. Den Logenplatz bietet das Opéra, auf Frankfurts schönstem Balkon liegt einem die Stadt zu Füßen. Nirgendwo sonst kann man so theatralisch tafeln. Der einst tröge Service hat sich deutlich verbessert, das Essen schafft inzwischen immerhin eine gewisse Erträglichkeit. Wenn man Glück hat. Die Preise muss man als Eintrittsgebühr in eine schönere Welt verstehen. Gedeckpreis für Brot und Kräuterquark 1,90 Euro, wird ohne Bestellung gereicht. Verantwortlich ist Gerd Käfer, der mal Münchner war und nun Hesse wurde. Das hat ihn aber zu keinem besseren Gastronomen gemacht. Angesichts der Gastronomie am Opernplatz wundert es nicht, dass immer mehr Flaneure ihre eigenen Flaschen am großen Brunnen trinken und dort gleich auch noch picknicken.

Ludwig Fienhold


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