Wenn Italiener nerven | BISS

Kategorie | 2013, Aktuelles, November 2013

Wenn Italiener nerven

Spaghetti-Hund

Offener Brief an

die Gastronomie

 

Liebe italienische Freunde,

es ist gewiss keine Auszeichnung als „Dottore“ angesprochen zu werden – das macht nur alt. Es ist auch wenig amüsant, dass ihr mit einem gigantischen Pfefferstreuer auf allem herumkrümelt, was bei drei nicht unterm Tisch ist. Niemand, der bei Sinnen ist und rechnen kann, legt zudem wert darauf, mit einer sprechenden Speisekarte konfrontiert zu werden, die keinen Einblick in Preisgestaltungen offenbart, welche sich an nicht kalkulierbaren Tagesbefindlichkeiten orientieren.

Liebe italienische Freunde, es ist albern, wenn ihr mit Handschuhen Trüffel hobelt, und es ist unprofessionell, wenn ihr gute Weine im Regal über der Theke stehen habt. Schenkt uns lieber reinen, gut gelagerten und richtig temperierten Wein ein. Und keinen ausgelaugten Prosecco, der sehr viel besser sein kann, als das, was ihr uns hier zu Lande meist unter diesem Namen für zu viel Geld kredenzt.

Werte Italiener, die ihr euch auf eines der schönsten Länder der Erde und eine der besten Küchen der Welt berufen könnt, ihr habt es leider etwas übertrieben mit der Betriebsamkeit und der Nachlässigkeit. Dabei habt ihr geglaubt, euer flinker Charme würde reichen, um nicht selten mangelnde Qualität überspielen zu können. Doch man muss schon etwas mehr anbieten, als die ewig gleichen Speisekarten, die der eine Ex-Kellner vom anderen Ex-Koch abgeschrieben hat und herumreicht wie eine Stafette.

Spaghetti-Hund 2Viele Italiener gleichen aneinander und langweilen. Genau deshalb haben sehr viele italienische Lokale Probleme. Gerade in schlechten Zeiten zeigt es sich, wofür die Leute wirklich bereit sind, Geld auszugeben. Es liegt jedoch nicht nur an den ausgebeutelten Portemonnaies, wenn Restaurantstühle leer bleiben, es liegt auch an einer Gastronomie, die sich allzu faulbärig im angestammten Terrain gewälzt hat und keinerlei Anstalten zeigte, neue Ideen zu entwickeln. Das heißt beispielsweise, sich regionaler Besonderheiten und einer kulinarischen Identität bewusst zu werden, wie sie in Italien in all ihren Facetten von Dorf zu Dorf zu spüren ist, in deutschen Städten aber eher als langweiliger Einheitsbrei zu Tage tritt. Die Zeit, in der sogar mäßige italienische Lokale mindestens zweimal am Abend neue Gäste begrüßen konnten, ist längst vorbei. Selbst einige der alten Italo-Stars haben zu kämpfen und sind froh, wenn jemand auf einen Teller Spaghetti vorbeikommt. Schaut doch, liebe Italiener, wieder mal bei euren Kollegen rein – denen, die gut sind. Vielleicht erkennt ihr ja, dass es noch mehr gibt als große Pfefferstreuer.

Liebe Italiener, bleibt bescheiden, protzt nicht mit dem besten Trüffel, wenn ihr wisst, dass dieser nur halb so gut ist wie ihr vorgebt. Die Küche Italiens ist keine armselige. Sie speist aber die Armen und die Seligen. Mit ehrlichen Leistungen.

Ludwig Fienhold

 

 

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