Warum Sommeliers nerven | BISS

Warum Sommeliers nerven

Mundschenk Harry H. Hochheimer ließ keine Kehle trocken

Und Weine auf

den Tisch gehören

 

Von Ludwig Fienhold

 

Ich bestelle keine Menüs mit Weinbegleitung. Das wäre bequem, macht aber meist keinen Spaß. Zu viele Sommeliers wollen auf diese Weise Weine entsorgen – problematische, überalterte, irgendwann einmal schlecht eingekaufte. Ich lege keinen Wert darauf, dass der Weinkellner die passenden Weine zum Essen auswählt. Ich möchte nur, dass er mir Weine einschenkt, die zu mir passen.

Wie kann es passieren, dass in Restaurants, bei denen ich und meine Abneigung für Weine mit deutlicher Restsüße bekannt sind, Weine mit deutlicher Restsüße auf den Tisch kommen? Wie kann es geschehen, dass bei einem Drei-Komponenten-Gericht ausgerechnet ein Wein ausgewählt wird, der sich nach dem schwächsten Teil auf dem Teller und nicht nach dem dominanten Geschmack richtet?

Wieso versuchen Sommeliers ihr einstudiertes Wissen mit überdeutlichem Aktionismus kundzutun? Weshalb merken Weinkellner nicht, dass sie zu oft wie Streber wirken, die vielleicht mit viel Verstand, aber ohne Herz und Seele auftreten? Warum entscheidet ein Sommelier einfach die Weinauswahl, ohne die Vorlieben der Gäste zu kennen und danach zu fragen? Und warum kann ein Sommelier nicht einfach eine andere Meinung akzeptieren und muss lange debattieren? Man sollte nicht nur Wein schlucken können, sondern auch hin und wieder ein Widerwort runterschlucken können. Eine Sonderausschüttung kann man auch immer wieder beim Wasser erleben, das oft einfach ungefragt nachgegossen wird.

Ich möchte nicht von einem Sommelier bedient werden, der sich so parfümiert hat, als wolle er für Chanel Werbung machen. Ich lege keinen Wert darauf, zu erfahren, welche Socken der Winzer bei der Lese getragen hat. Und ich empfinde es als Belästigung, wenn ein Sommelier statt eines Weins nur sein Wissen ausschüttet.

Große Weinkarten mögen beeindrucken, vor allem aber zwingen sie Gäste zu langen Studien oder in die Hände des Weinkellners. Bevor man sich in eine dickleibige Weinkarte vertieft und damit seinem Gegenüber eine unfreundliche schweigsame Seite zeigt, muss man sich einem Sommelier anvertrauen. Möglichst kurz und ohne große Diskussion. Das aber erfordert Vertrauen, das zumindest bei einem Erstbesuch fehlt. Natürlich gibt es Sommeliers, die alles richtig machen, doch sind diese so selten zu finden wie ein Goldrückenrüsselhündchen in der Antarktis.

Wieso stehen Champagner und Weine stets weit ab vom Gast? Man ist immer auf die Aufmerksamkeit des Weinkellners oder anderer Mitarbeiter angewiesen. Zudem schenken diese nie so ein, wie man es selbst gerne hätte, im Regelfall zu viel oder zu wenig. Nein, wir Gäste können schon sehr gut selbst entscheiden, wie viel wir im Glas haben möchten. Bitteschön, stellt uns einen Kühler mit unserem Wein an die Seite und lasst uns selbst einschenken. Zum Wohl von allen.

 

Bild oben: Harry H. Hochheimer ist kein nerviger Sommelier, sondern Weinhändler und Event-Mundschenk

Photocredit: Barbara Fienhold

 

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