Sollen wir das Trinkgeld abschaffen? | BISS

Kategorie | 2016, Aktuelles, Archiv, Januar 2016

Sollen wir das Trinkgeld abschaffen?

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In den USA beginnt eine gastronomische Revolution

 

Trinkgeld ist jedem Gast lästig. Das Abwägen zwischen zu viel und zu wenig bereitet ihm nicht selten Magenschmerzen, zumindest aber Unwohlsein. Entspannter Genuss sieht anders aus. Ausgerechnet in der Trinkgeld-Supernation USA wird eine gastronomische Revolution gewagt. Der Gastronom Danny Meyer, der mit dem The Modern eines der besten Restaurants in New York führt, will in all seinen 13 Lokalen das Trinkgeld abschaffen. No Tipping, aber Gastlichkeit inbegriffen heißt nun das Motto. Wird dies Schule machen, vielleicht auch bei uns?

Nach den Vorstellungen von Danny Meyer werden alle Seiten profitieren: Für die Gäste werde es angenehmer und stressfreier, für die Angestellten berechenbarer und fairer. Dennoch ist sich der Multigastronom über das Risiko bewusst, denn das Unterfangen kann auch schiefgehen. Danny Meyer glaubt jedoch, dass vom Spüler bis zum Sommelier letztlich alle mehr Geld als zuvor mit nach Hause nehmen. Im The Modern, das als bestes Museumsrestaurant der Welt auch Besucher und Touristen des benachbarten MoMA anzieht, wurden die Angestellten trotz der ungeschriebenen Regeln durchaus unterschiedlich getippt. Während die Einheimischen die Gepflogenheiten kannten, weigerten sich nicht wenige Besucher anderer Länder, das hohe Trinkgeld zu akzeptieren und unterliefen dies gerne mit eigenen Kalkulationen. Die Zeile mit dem Tip soll nun auf der Rechnung wegfallen.

The Modern in New York

The Modern in New York

Wer zahlt nun letztlich die Zeche? Auf den ersten Blick der Gast, denn der Gastronom möchte ja auch nicht weniger verdienen. Dennoch hält sich das bislang in Grenzen. Das Hummer-Würstchen beispielsweise verteuert sich von 33 auf 44 Dollar, andere Gerichte steigen kaum mehr als um eine Handvoll Dollar, eher weniger. So gesehen gleicht sich die Rechnung aus und geht nicht zu Lasten irgendeiner Partei. Jeder Angestellte weiß nun völlig unabhängig vom Trindkgeld, was er am Ende des Monats mit nach Hause nimmt, während die Gäste völlig stressfrei genießen können, ohne zu überlegen, ob sie nun 10, 15, 20 oder mehr Prozent Trinkgeld geben. Tips sind auch nicht mehr in der Bar oder der Garderobe des Modern erwünscht. Die neue Politik von Danny Meyer stößt zwar auf eine positive Resonanz, doch rechnet das Restaurant eventuell noch mit einem anderen Problem. Gerade in New York leben viele Prahlhanse, die gerne mit dem Geld um sich werfen und durch den Tipp Wertschätzung erwerben wollen. Solche Goldesel könnten nun verlorengehen. Ein Verlust?

Küchenchef Abram Bissel ist mit der neuen Reglung sehr zufrieden. Er sieht sein Team nun besser bezahlt und glaubt es damit auch länger zusammenhalten zu können, weil die hohe Fluktuation in den New Yorker Restaurants sehr häufig für gehörig Unruhe und zu Leistungsschwankungen führt, wobei dafür die mäßige Bezahlung oft genug der Grund ist. Führende Publikationen wie die New York Times und die Financial Times beflügeln Danny Meyers Idee und halten die bisherige Trinkgeld-Reglung für überdenkenswert. Danny Meyer ist für 1.800 Angestellte verantwortlich. Bisher profitierten vom Trinkgeld in erster Linie die Servicemitarbeiter – Köche, Tellerwäscher und viele andere hinter den Kulissen gingen leer aus. Mit der neuen Reglung soll es nun gerechter zugehen. The Modern hat bereits den Anfang gemacht, die anderen Lokale und Bars von Danny Meyers Union Square Hospitality Group sollen in diesem Jahr folgen.

PL

 

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