Skandal: Das Ende von Street Food in Bangkok
Garaus für Garküchen
Bangkok verliert sein kulinarisches Herz
Ein solcher Irrsinn ist kaum zu glauben: Bangkok will sich seiner kulinarischen Wurzeln entledigen und die weltweit gerühmten Garküchen verbieten. Damit würde die Stadt eine ihrer absoluten Attraktionen verlieren, die zudem eine wirtschaftliche Grundlage für zehntausende Familien bedeutet. 15.000 Straßenküchen wurden bereits vertrieben, bis Ende 2017 sollen alle 50 Distrikte komplett geräumt werden. Gesichtslose Shoppingarkaden und Großketten breiten sich dagegen ungehindert aus. Bangkok ist leider nicht nur Hauptstadt der Genüsse, sondern eine Metropole, in der Korruption und Willkür herrschen. Thailands Generäle reißen mit ihrem Ordnungswahn der Stadt das kulinarische Herz heraus. Sie orientieren sich an Singapur, wo eine nach Sterilität strebende Staatsmacht den Stadtstaat in ein blasses Finanzzentrum verwandelte. Wegen der weltweiten Proteste rudern die Verantwortlichen inzwischen ein wenig zurück und wollen angeblich nicht ganz rigoros vorgehen – vor allem „hygienische Standards“ sollen verbessert werden. Wir haben uns zwar in einigen Restaurants auf der Welt schwer den Magen verrenkt, noch nie aber in den Garküchen auf den Straßen Bangkoks. Es werden in jedem Fall einige Straßen „gesäubert“ und der „Ordnung“ zum Opfer fallen. So wie es heute ist, wird es wohl nie mehr sein.
Viele bekannte und wohlhabende Persönlichkeiten Bangkoks haben in solchen Garküchen ihre Karriere begonnen – und sollten ihre Stimme für den Erhalt einsetzen. Ian Kittichai ist der bekannteste Koch in Bangkok und so etwas wie der Johann Lafer von Thailand. Er hat ebenfalls eine eigene Koch-Show, besitzt ein komfortables Küchenstudio als Cooking School und schreibt kulinarische Bücher. Mit seinem Konterfei lassen sich auch mittelmäßige Weine gut verkaufen. Ian Kittichaias „Issaya Siamese Club“ wird überrannt, vor allem von der lokalen Society, westlichen Managern und kundigen Food-Touristen. Die über 100 Jahre alte Villa im indo-portugiesischen Kolonialstil und ihr Garten entfalten einen ganz eigenen Zauber, der die Hektik Bangkoks abfedert. Ian Kittichaia kommt aus einer Street Food Familie und schob schon als Kind den Imbisskarren seiner Mutter durch die Straßen, um frische Curries zu verkaufen. Die Grundlage dafür sind damals wie heute frische Produkte und gute Gewürze, doch ist die Küche moderner und internationaler geworden.
Die richtige Thai-Küche lernt man am besten auf der Straße kennen. Street Food gab es schon immer in Bangkok, dort ist sie Teil der Kultur und keine Modeerscheinung. Das kulinarische Rückgrat zieht sich durch die ganze Stadt, doch gibt es auch unter den Garküchen einige Highlights. Eine große Auswahl an Ständen mit den unterschiedlichsten leckeren Gerichten findet man in der Sukumvhit Soy 38. Thais, Expats und Touristen teilen sich in wuseliger Atmosphäre wacklige Tische. Food Pioniere picken sich ihre Spezialisten heraus und scheuen auch keine Abwege auf ihren Touren durch Bangkoks Gassen. Extrem beliebt ist die Garküche namens Phra Athit Boat Noodle in der gleichnamigen Straße. Dort gibt es auf einem Parkplatz die traditionellen, intensiv aromatischen Boat Noodles, darunter eine besonders köstliche Variante mit Sirloin Beef. Bekannt für frische handgemachte Eiernudeln ist die Garküche Bah Mee Sawang in der Rama Road 4, wobei vor allem die mit Barbecue Pork und dem Krebsfleisch der Blue Swimmer Crab famos sind. Bangkoks Garküchen sind extrem gut und sehr preiswert. Die Khao San Road ist weltberühmt und beherbergt allein schon über 200 Garküchen. Die Teller bei allen Garküchen kosten zwischen einem und sechs Euro, man sollte passend dabei haben, denn oft fehlt das Wechselgeld.
Mit Kreditkarte darf man dagegen bei der neusten und exklusivsten Form von Street Food bezahlen, dem Eathai im Konsumtempel Central Embassy, wo Ian Kittichaia auch sein großes Issaya-Küchenstudio betreibt. Im Eathai sind alle wichtigen Regionen Thailands kulinarisch vertreten, Obst und Gemüse gibt es in bester Qualität im Überfluss. Wer Street Food ganz proper und klimatisiert erleben will, ist an der richtigen Adresse, denn gerade diese Happen sind hier top, ob Chicken, Seafood oder Nudelsuppen. Für 30 Cent beziehungsweise 1,50 Euro gibt es außerdem nichts Besseres als den salzigen Thai Crispy Crêpe und den Traditionel Style Thai Baked Rice Cake. Diese saubere Version eines Straßenmarkts ist durchaus eine legitime Bereicherung der gastronomischen Szene, kann sich aber nicht mit den kulinarisch einzigartigen und atmosphärisch seelenvollen Garküchen auf den Straßen Bangkoks messen.
Die wuseligen und ewig dampfenden Garküchen sind ein Teil des Charakters und der Identität der Stadt. Das Garaus für Bangkoks Garküchen wäre dramatisch und mehr als ein kulinarisches Thema, da es auch ein Beispiel für Menschenverachtung ist.
Ludwig Fienhold
Photocredit: Ludwig Fienhold