Salon: Der leiseste Champagner der Welt | BISS

Salon: Der leiseste Champagner der Welt

Champagner-Dorf 1. Klasse: Le Mesnil-sur-Oger

Perlen für den Feingeist

 

Von Ludwig Fienhold

 

Jeder Champagner hat seine Stunde. Ein so feinsinniger wie der neue Jahrgang 2002 von Salon scheint jegliche Zeit zu überwinden und adelt jeden Tag. Er braucht kein Essen, benötigt weder Musik noch Festlichkeit, kennt keinen Winter und keinen Sommer. Der Salon braucht aber ganz bestimmt jemand, der genau in ihn hineinschmeckt, seine Zartheit nicht mit Schüchternheit verwechselt und seine Poesie nicht für zerbrechlich hält. Der Salon sucht kurzum jemand, der ihn versteht. Denn Salon flüstert nur. Für die meisten muss Champagner knallen, doch der von Gelassenheit und Würde getragene Salon will kein Champagner für die lauten Momente des Lebens sein – er ist der bestmögliche Champagner für stille Genießer.

Leider keine Champagner-Bar - der Salon Verkostungsraum

Leider keine Champagner-Bar – der Salon Verkostungsraum

Dom Pérignon, Krug und Roederer Cristal kennt jeder, selbst wenn er bis gestern noch an der Milchflasche hing. Die wohl unbekannteste Größe in der Champagnerwelt ist jedoch Salon. Es gibt ja auch nur 60.000 Flaschen pro Jahrgang, knapp 1.800 davon finden den Weg nach Deutschland. Im 20. Jahrhundert wurden von Salon nur 37 Jahrgänge produziert, der erste von 1928 ist extrem begehrt. Selbst Milliardäre wie Bill Gates und Warren Buffet bemühten sich vergeblich um eine Flasche des Premieren-Jahres. Sie hätten diese nur um den Kauf der gesamten Champagnerkellerei erstehen können. Eine schöne Pointe der Geschichte wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs gesetzt: Im Weinkeller von Hitlers Felsenfestung auf dem Obersalzberg in Berchtesgaden lagerten Hunderte Flaschen Salon von just jenem grandiosen Jahrgang 1928.  Der Soldat und Weinexperte Bernard de Nonancourt aus Reims durfte als erster den Weinkeller inspizieren – fünf Jahre nach Kriegsende gründete er die Champagner-Gruppe Laurent-Perrier mit Salon, Delamotte und Castellane.

Champagner-Dorf der Extraklasse: Le Mesnil-sur-Oger

Champagner-Dorf der Extraklasse: Le Mesnil-sur-Oger

Was Kellermeister Aimé Salon mit dem ersten Jahrgang von 1905 begann, wird heute mit Bedacht fortgeführt, denn nur gute Jahrgänge kommen in die Flasche.  Die Chardonnay-Trauben stammen ausschließlich aus der Grand Cru Lage Le Mesnil-sur-Oger nahe Epernay. Auf malolaktische Gärung wird verzichtet, um die Frische und Säurestruktur zu erhalten. Der Wein reift durchschnittlich zehn Jahre im Keller, bevor die Flaschen degorgiert werden und in den Handel kommen.

Der Jahrgang 2002 ist der erste des 21. Jahrhunderts. Und gleich ein ganz Großer. So viel Finesse, diskreten Charme und schwebende Leichtigkeit erlebt man selten. Die Aromen von Citrus, Birne und Mandel flirren, der für die Kreideböden durchaus typische Ingwerton ist nur hauchzart präsent. Mehr als Brioche entdeckt man die von Proust verewigten Madeleines. Die dichte Perlage und ihre winzigen schnellen Bläschen entfalten im Mund sofort schmeichelndes Wohlgefühl und eine delikate Aromatik, die leicht salzig hinterlegt ist und ungemein animierend wirkt. Selten war ein reiner Chardonnay-Champagner jedenfalls so subtil, raffiniert und filigran.

salon06Bis 1957 gab es Salon nur im legendären Maxim´s in Paris. Längst versucht jeder Gastronom seine Leidenschaft mit diesem Ausnahmechampagner auszudrücken, manche setzen ihn wie ein gutes Zeugnis auf die Karte, andere trinken ihn nur mit Freunden und netten Gästen. Dabei ist es gar nicht so einfach, an die limitierten Flaschen zu kommen, zumal es auch für die Gastronomie beim Preis von 350 € keinen Abschlag gibt. Wer den Salon haben will, muss dann auch Laurent-Perrier und Delamotte aufnehmen. Doch lassen sich beide ja gut verkaufen, Laurent-Perrier ohnehin und Delamotte ist immerhin Nachbar von Salon in Le Mesnil-sur-Oger und hat neben Qualität und einem angenehmen Preis auch viel Geschichte zu bieten.

Der gerade auf den Markt gekommene Salon 2002 wird sich noch weiter entwickeln, ist aber schon jetzt wunderbar trinkbar. Gut auch für die Gastronomen, die ihren Gästen nicht erklären müssen, dass sie für einen Schluck erst in zehn Jahren wiederkommen müssen. Der Salon schmeckt besonders gut aus einem Weißweinglas (Riesling-Glasgröße, nicht kugelrund burgundisch). Er verträgt sich mit nur ganz ganz wenigen Gerichten, fast alles scheint seine Atmosphäre zu stören. Deshalb sollte man den Salon Blanc de Blancs Le Mesnil auch am besten solo genießen – weit ab vom Lärm der Welt, lauten Menschen oder störenden Gerüchen. So bleibt er Salon-fähig.

 

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Bei der Vorstellung des neuen Salon-Jahrgangs 2002 in der Ente im Hotel Nassauer Hof in Wiesbaden gab es auch einen perlenden Mystery Guest: Salon, Jahrgang 1997. Ein ganz anderer Typ als der 2002, viel kantiger, forscher und deutlich weiter in der Aromatik. Seine kräftige Säure sucht geradezu nach einer Essensbegleitung. Und fand sie in einer exzellenten Amalfi-Zitronen-Creme, Olivenölkuchen, Fenchel und Joghurt-Eis. Mit dem Hauptgericht aus St. Pierre, Steinpilzravioli und Ochsenschwanzjus vertrug sich der Delamotte Blanc de Blancs 2004 am besten. Seine kräftige Statur und die ausgeprägten Aromen konnten das vitale Essen abfedernd einfangen und in Harmonie übersetzen. Der Salon 2002 dagegen verlor deutlich bei diesem Gericht. Es bedarf jedenfalls stets verschiedener Champagner, um ein Essen perfekt zu begleiten. Eine Perle für Feingeister wie den Salon 2002 sollte man am besten vor dem Essen genießen – oder statt eines Essens.

Salon gehört zu Laurent-Perrier, dem größten familiengeführten Champagnerhaus. Ebenso wie Delamotte, das sich vor allem dem Blanc de Blancs verschrieben hat. Während man als Endverbraucher bei Laurent-Perrier und Delamotte mit Preisen ab 36 € beziehungsweise 26 € zu rechnen hat, muss man für einen Salon 350 Euro bezahlen. Man darf diese Champagner aber ebenso wenig vergleichen, wie einen Audi mit einem Rolls-Royce.

 

 

 

 

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