Restaurantkritik: Fabian Günzels Loft ist der Himmel über Wien | BISS

Kategorie | 2016, Aktuelles, April 2016, Archiv

Restaurantkritik: Fabian Günzels Loft ist der Himmel über Wien

Sofitel Vienna Stephansdom

Tolle Location mit

Blick über Wien

 

Von Ludwig Fienhold

 

Juan Amador steigt in den Weinkeller, Fabian Günzel kocht über den Wolken. Wien dreht gerade ein kulinarisches Riesenrad. Österreichs Metropole wird gastronomisch immer besser und bewegt sich dabei elegant zwischen Klassik und Moderne. Besonders spannend ist das Restaurant Loft im Sofitel am Stephansdom, in dem der unkonventionelle Fabian Günzel als Küchenchef Regie führt.

Aal-Gericht

Aaal-Gericht, aber nicht aalglatt

Das Restaurant Loft ist eine verglaste Dachterrasse auf dem 18. Stockwerk des 74 Meter hohen Hotels mit großartigem Rundumblick auf Wien. Die von animierenden Videos verstärkten Deckengemälde von Pipilotto Rist an der Decke legen sich wie ein Teppich über die Stadt. Toller Sternenhimmel, doch hat Fabian Günzel einen anderen Horizont: „ Lieber einen Stern und Geld verdienen, als drei Sterne und die Hütte ist leer.“ Egal, wie die Auszeichnungen der Restaurantführer demnächst auch ausfallen mögen, die Küche im Restaurant Loft paart Originalität und Qualität. Mehr noch: Es macht einfach Spaß hier zu essen – das vielleicht längst wichtigste Kriterium für einen Restaurantbesuch. Panorama-Restaurants in luftiger Höhe setzen oft nur auf dieses besondere Highlight. Im Loft will man aber auch eine Spitzenküche und Topweine in prickelnder Atmosphäre bieten.

Küchenchef Fabian Günzel

Küchenchef Fabian Günzel

Die Küche von Fabian Günzel möchte so unkompliziert erscheinen, dass jeder Lust darauf bekommt. Doch hinter dieser vermeintlichen Schlichtheit steckt eine Strategie der intelligenten Herzhaftigkeit. Viele kleine Schweinereien und Lustmacher zum netten Preis stehen vor amüsant aufgebauten Gerichten der Haute Cuisine. Egal, wozu man tendiert, alles hat einfach Geschmack und Kraft bei gleichzeitiger Finesse. Diese Küche spricht viele an – und ist doch keine Allerweltsküche. Das Sauerteigbrot von der Backstubenboutique „Joseph Brot“ ist schon eine Klasse für sich und wird toll aufgetischt mit schaumiger Butter und Oliven (oder geröstetem Knoblauch und Oliven sowie wahlweise Speckmarmelade und Fourme D´Ambert).

Rib Eye

Rib Eye

Die „Vorspiel“ genannten Entrees sind durchweg sexy: Erstklassiger BBQ Aal aus der Berliner Havel mit Zitrone, Radieschen, Haselnuss, Schnittlauch oder Jakobsmuschel-Ceviche mit Kokos, Limette, Chili, Ingwer. Sehr gut auch die getrüffelte Polenta mit Ei und Gewürzmilch, Spitze die cremige Entenstopfleber mit Rosinen, Blutorangen, Quinoa und Mandel sowie der Cappuccino von Kalbsschlepp, Linsen, Petersilienwurzel und Malz. Wie sympathisch schlichtes Risibisi sein kann, erlebt man hier im Loft, wobei der Knuspermantel mit Mozzarella gefüllt ist und mit einer Koriander-Safran-Sauce aufgefrischt wird. Noch ein Beispiel für die Geschmeidigkeit der Küche: Das saftige feinkrustige Spanferkel (Freilandschwein) wird mit geschmorten Aprikosen, Spargel, Morcheln und einer durch Rosmarin und Thymian abgeschmeckten Sauce Albufera gut begleitet. Die Küche schafft jedenfalls ganz unangestrengt den Spagat zwischen klassisch und hipp, obwohl dahinter viel mehr Mühe liegt als es dem Gast wahrscheinlich bewusst ist.

Gänseleber

Exotischer Gänseleber-Teller

Küchenchef Fabian Günzel ist ein extrem forscher Tattoo-Typ, aber trotz aller ungestümen Lebenskraft und verbalen Direktheit sehr diszipliniert und strukturiert bei der Arbeit. Wien ist ihm fast zu gemütlich, dafür geht es bei ihm in der Küche umso heftiger zu. Während die Gäste ganz bequem in lässigen Lounge-Sitzen tafeln, herrscht dort ziemliches Gedränge. 100 bis 150 Couverts müssen herausgeschickt werden, da hat jeder Handgriff zu sitzen. Wenn man erlebt, welche Qualität Fabian Günzel und sein Team für eine solche Vielzahl bieten, vermag man sich leicht vorzustellen, wie diese erst für die Hälfte der Gäste ausfallen würde. Die Könnerschaft kommt bei Fabian Günzel nicht von ungefähr, denn er kann sich auf eine großartige Restaurantlaufbahn stützen. Der erst 30 Jahre alte Erfurter arbeitete zuvor als Souschef bei Silvio Nickol im Wiener Palais Coburg und stand bereits bei Topadressen wie Heinz Winklers Residenz in Aschau, Seehotel Überfahrt in Rottach-Egern, La Vie Osnabrück oder dem Restaurant Schlossstern auf Schloss Velden am Wörthersee am Herd.

Loft Bar

Loft Bar

Der recht eigensinnige Sommelier Steve Breitzke passt bestens zum unkonventionellen Stil des Restaurants, er berät kreativ und hält viele Entdeckungen und Raritäten auf seiner mit 600 Positionen gelisteten Karte parat. Man legt sich vielleicht schnell mit ihm an, doch es macht durchaus Spaß, mit ihm zu streiten. Er gehört zu den ganz wenigen, die Probleme mit den Grünen Veltlinern von Bernhard Ott haben. Aber er ist ja auch kein Österreicher, sondern wie Küchenchef Günzel Thüringer. Steve Breitzke ist grundsätzlich ein großer Rieslingfreund und schätzt darüber hinaus die Weine aus dem Jura und von der Loire. Zur Lammkrone mit orientalischer Gewürzmischung Raz el Hanout empfiehlt er den Syrah Felsenstein vom Österreicher Christian Tschidas. All das zeigt, wohin die Weinreise mit ihm geht – Langeweile ausgeschlossen.

Risi Bisi

Risi Bisi

„Wir wollen kein Hotelrestaurant sein“, meint General Manager Alexander Moj, „wir verstehen uns als Repräsentanten des neuen Wiens.“ Rock me Amadeus. Auf einer Galerie mitten im Restaurant liegt leicht erhaben die Bar von Michael Fortner, die wegen ihrer famosen Drinks ebenfalls unbedingt besuchenswert ist. Die Loft-Musik will quietschvergnügt erscheinen, quietscht aber vor allem in den Ohren. Als Tom Cruise zu Besuch war, kam er nur flink ins Loft, um ein paar Bilder von hier oben zu schießen. Das Essen ließ er links liegen, aber für einen Genießer hatten wir ihn ohnehin nicht gehalten. Das Loft ist eher für Gäste gedacht, die ganz losgelöst von der Erde aus allen Wolken fallen wollen.

 

Sofitel WienSofitel am Stephansdom, Fünf-Sterne-Hotel zentral am Donaukanal und eher nicht am Stephansdom gelegen, sondern mit Blick auf ihn und viele andere Sehenswürdigkeiten, Praterstraße 1, Tel. +43 1 90 616 8110. Hotel mit 182 Zimmern, Übernachtung ab 180 €. Restaurant Loft, Taste of Loft, vier Gänge vom großen Menü: 72 €. Vorspeisen 12 – 22 €, Hauptgerichte 30 – 36 €. 

www.dasloftwien.at

 

 

Photocredit: Sofitel Wien, Ludwig Fienhold

 

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