Nur schöne Gäste sind gute Gäste | BISS

Kategorie | Aktuelles, Februar 2014

Nur schöne Gäste sind gute Gäste

Belle de Jour im Costes-Hotel

 

Was eigentlich bestimmt die Atmosphäre in einem Hotel oder Restaurant? Das Dekor, die Tischkultur, der Service? Alles von dem, doch ganz entscheidend auch die Gäste selbst.

Eine Serviererin der Pariser Costes-Gruppe behauptet: Bei uns werden die Gäste nach Schönheit sortiert. Grund zur Empörung oder Sturm im Wasserglas?

Der Blick in den Spiegel reicht nicht mehr. Sie können ihre Attraktivität auch auf eine andere Weise testen. Besuchen sie doch ein Pariser Lokal der Costes-Gruppe, beispielsweise das Georges im Centre Pompidou, ein Museumslokal mit Aussicht über die Dächer der Stadt.  Eine ehemalige Serviererin vertraute der Zeitung „Le Canard enchaîné“ an, dass dortige Kunden nach ihrer Attraktivität platziert würden. Ausnahmen gäbe es nur für Prominente, die ohnehin die besten Plätze bekämen. Ansonsten gilt: Die Schönen in die Auslage, die weniger Attraktiven werden bei diesem Gen-Roulette hinten platziert, wo ihr Anblick die Passanten nicht beleidigt. Gilbert Costes, so heißt es weiter, würde die Einhaltung der Regeln höchstselbst kontrollieren. Schlimmer sei da höchstens noch die Rekrutierung der Servierer/innen, die über Modelmasse verfügen sollten. Im schicken Hotel Costes wetteifern die Bedienungen mit den Gästen – mehr schöne Frauen sieht man selten.

Durch Paris ging ein kurzer Aufschrei des Entsetzens. Andererseits lassen die Geständnisse der Service-Fachkraft auch viele Fragen offen: Was passiert mit weniger ansehnlichen Männern in ausgesprochen attraktiver Damenbegleitung? Und: Wird die Sitzvergabe andernorts nicht ohnehin nach Kriterien wie „Prominenz, Geld und Sex-Appeal“ vorgenommen? Herrschen in anderen Szene-Restaurants andere Gepflogenheiten?

Schließlich ist ein Pariser Szenelokal ein Theater der Oberflächlichkeiten, Eitelkeiten und Anzüglichkeiten, von Toiletten im Stil einer Versailles-Parodie  (Cristal Room), bis zu einer Ansammlung käuflicher Damen auf Kundensuche (meist im „Goldenen Dreieck Avenue George V,  Montaigne und Champs-Elysées anzutreffen).

Den Luxus des systematischen Platzierens erlauben sich nur gutgehende Lokale. Von dem Wirt einer kleinen, jedoch gut besuchten Brasserie ist bekannt, dass er attraktive Freundinnen des Personals gern gegen 20 Uhr sichtbar platzierte. Dann gab es zumindest einen Gratissalat, doch gegen neun Uhr mussten die Damen den Tisch räumen. Ansonsten werden die ersten Gäste nach vorn „in die Auslage“ gesetzt, damit sie möglichst weitere Kunden anziehen. Nichts ist schließlich trister als ein leeres Lokal. Letztlich scheitert auch der ausgeklügelte Reservierungsplan am Wunsch der Gäste. Die Prominenz der A- und B-Klasse will in Paris meist diskret speisen. Der angeblich begehrte Platz am Fenster ist eher für Wichtigtuer.

Jörg Zipprick

 

 

 

 

 

 

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