Gin ist in: Next Generation Wacholder Schnaps | BISS

Kategorie | Aktuelles, März 2014

Gin ist in: Next Generation Wacholder Schnaps

Christoph Keller

Kräuter & Botanicals sorgen für Finesse

 

Neue & originelle Sorten beleben die Barkultur

 

Bis gestern ging Gin vor allem eine Verbindung mit Tonic ein und war beim Martini unentbehrlich. Kaum jemand trank das Destillat pur. Das hat sich gründlich geändert. In den Bars ist das gängige Angebot von Whisky, Rum und Wodka längst um ein gutes Gin-Sortiment erweitert worden. Den Boom hat der deutsche Monkeys 47 ausgelöst, der zum Besten gehört, was es innerhalb dieser Spezies gibt. Doch inzwischen existieren viele interessante Spirituosen, bei denen es sich lohnt, die Nase etwas tiefer ins Glas zu stecken.

Längst ist Gin kein normaler Wacholderschnaps mehr, oft nehmen viele Ingredienzen Einfluss auf das Geschmacksbild: Ingwer, Muskat, Orangenschalen, Lorbeeren und einiges mehr. Beim spanischen Gin Mare fließen mediterrane Kräuter und Gewürze wie Rosmarin, Basilikum und Thymian ein. Der schon durch seine Präsentation in einer recycelten Champagnerflasche auffällige Old English Gin gibt sich auch in seiner Zusammenstellung extravagant. Bei der Herstellung werden elf Botanicals verwendet, neben Wacholder unter anderem auch Zimtrinde, Süßholz, Iriswurzel und Engelwurz. Nicht weniger als 74 Kräuter und Essenzen aus 19 Ländern von der Alpenregion bis Indien enthält der Black Gin von Holger Freys Gansloser Destillerie in der Schwäbischen Alb. Der feinwürzige Gin ist bei Barkeepern besonders beliebt, wobei es noch einen Black Gin Distillers Cut in limitierter Auflage gibt.

Doris & Josef Farthofer

Doris & Josef Farthofer

Das Sekt- und Weingut Winterling war bislang vor allem wegen seiner guten Schaumweine bekannt. Sohn Stefan und seine Frau Eva betreiben in Llucmayor mit Evas Destillery eine der wenigen Brennereien auf Mallorca. Duft und Aroma von Gin Eva basieren auf mehr als zwanzig verschiedenen Gewürzen, mallorquinischem Wacholder aus den Dünen von Es Trenc, einheimischen Zitrusfrüchten und Kräutern, die in einer traditionellen Kupferbrennblase mazeriert und destilliert werden. Der Gin fällt eher fruchtig aus und soll den Geist der sonnigen Mittelmeerinsel einfangen.

Neuerdings ist auch Altmeister Arno Dirker aus Mömbris mit zwei Ginsorten vertreten. Sein milder und delikat würziger Classic Blended Gin hat eine elegante Wacholdernote, wobei etwas Vanille mitschwingt und Zitrus eine leichte Frische einbringt. Dirkers Erzeugnisse haben immer eine eigene Note, oft eine eigenwillige. Das hebt sie auch von Allerweltsprodukten ab. Ganz anders als alles andere ist Dirkers Küchenkräuter-Gin, der stark nach Lakritze, aber auch deutlich nach Anis, Salbei, Estragon, Basilikum duftet und eher am Rande Wacholder spüren lässt. Dieser würzige Gin lässt sich nicht nur trinken, man kann ihn auch bestens in der Küche einsetzen.

Arno Dirker mit seinen Lieblingen

Arno Dirker mit seinen Lieblingen

So ziemlich das Gegenteil von Arno Dirkers opulentem Aromenspiel bietet der Organic-Gin von Josef Farthofer, der mit seiner Edel-Destillerie im Most-Viertel der niederösterreichischen Gemeinde Öhling bemerkenswerte Spirituosen herstellt. Sein Gin ist ein lupenreines Destillat, das geschmeidig und fast ölig über die Zunge gleitet und delikates Wacholderaroma hinterlässt, begleitet von einem Touch Grapefruit und der unterschwelligen Süße von Amalfi-Zitronen. Bei der Herstellung werden zwar zwanzig verschiedenen Kräuter und Gewürze verwendet, etwa Koriander und Pfeffer, doch fügen sie sich sehr harmonisch ins Geschmacksbild ein. Dieser milde, charakteristische und noble Gin basiert auf extrem weichem Wasser, das aus einer Privatquelle im Mühlviertel stammt. Der biologisch erzeugte Gin von Farthofer spricht vor allem Puristen an, die eine blitzsaubere Präsenz zu schätzen wissen. Der Organic-Gin eignet sich auch sehr gut zum Mixen, doch eigentlich sollte man ihn lieber pur genießen.

Der Run auf Gin ist dem Schwarzwälder Dry Gin Monkey 47 zu verdanken – und engagierten Barkeepern, die ihre Position nutzen, um aus Säufern kultivierte Trinker zu machen. Christoph Keller, ehemals Kunstbuchverleger, und sein Partner Alexander Stein, der aus einer alten Brennerfamilie stammt, gruben einen alten Schatz im Schwarzwald aus, den der Brite Montgommery Collins hinterließ, der Gin-Liebhaber war und dort ein Gasthaus namens „Zum wilden Affen“ führte. Er entwickelte eine eigene Monkey 47Rezeptur aus Kräutern, Gewürzen und Früchten sowie reinem Quellwasser aus dem Schwarzwald. Viele Jahre nach dem Tod von Collins wurde eine Kiste Gin von ihm gefunden, nach der man originalgetreu das Rezept rekonstruieren konnte. 2010 kamen die ersten 2.500 Flaschen auf den Markt. Der Affen-Gin besteht aus 47 handverlesenen Zutaten aus der Botanik, darunter Fichtensprossen, Holunderblüten, Preiselbeeren und Goldmelisse. Die braune Apothekerflasche mit dem Briefmarkenetikett würde schon optisch jede Bar zieren, doch der Inhalt verströmt reine Magie. Die Würz- und Kräuterkombination, mit leicht bitteren Fruchtnoten und Zitrusfrische, wirkt ungemein anregend und sorgt für einen langen Nachhall. Dennoch steht das feine Wacholderaroma bei diesem komplexen Gin im Vordergrund. Christoph Keller, der in seiner Edeldestille Stählemühle noch viele weitere Brände von Weltklasseformat erzeugt, hat mit dem Monkey 47 die Barszene erobert.

Es sind solche handwerklich mit Leidenschaft und Raffinesse erzeugten Elixiere, die eine Barkultur schaffen. Wenn man sieht, wie sehr die Qualität und die Vielfalt von Gin gewonnen hat, würde James Bond heute seinen Martini nicht mehr mit Wodka, sondern Gin trinken.

LF

Jeden Montag kann man in der Kameha Suite in Frankfurt ab 18.00 Uhr aus einem Sortiment von über 90 Gin-Sorten wählen und probieren. 2 Gin nach Wahl plus 1 Tonic kosten beispielsweise 8 €.  www.kamehasuite.com

Die Bar Le Lion in Hamburg gehört zu den besten in Europa und bietet 80 Sorten Gin an.  www.lelion.net

Monkey 47, www.monkey47.com

Arno Dirker, www.dirker.de

Farthofer, www.edelschnaps.at

Bild ganz oben rechts: Christoph Keller

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