Foodblogger: Die neue Fress-Klasse | BISS

Foodblogger: Die neue Fress-Klasse

Eine unappetitliche Entwicklung

 

Sie wollen gutes Geld verdienen? Vielleicht, ohne sich dabei halb tot zu arbeiten? Dann werden sie doch Foodblogger. Zumindest in Frankreich wäre diese Rechnung fast aufgegangen.

Der 6. März war vielleicht kein guter Tag für den Foodblogger Bruno Verjus. Im Nebensatz eines Beitrages zum „Guide Michelin“ breitete die renommierte Tageszeitung „Le Monde“ sein neues „Geschäftsmodell“ aus. Köche und Wirte könnten ihm 2.400 Euro plus Mwst. zahlen, um inklusive Foto im „Wegbereiter eines neuen Guides“ zu erscheinen. Verjus fühlt sich indes missverstanden, man hätte seine Pläne nicht genügend detailliert, in der Summe sei eine Art Last-Minute-Reservierungsservice inbegriffen und überhaupt würde er das Projekt nicht weiter verfolgen. Kurioserweise verzichtete er bislang  auf eine Stellungnahme in seinem Medium, dem eigenen Blog.

Die Idee war simpel, aber bislang verpönt: Köche und Wirte sollen einen ihrer Kritiker, denn als solcher agiert Verjus gern und oft, direkt mit eigenem Geld bezahlen, mit satten 2400 Euro pro Haus. Und weil ein normal konstituierter Mensch zweimal pro Tag essen kann, lässt sich Verjus potenzieller Verdienst leicht errechnen.

Es gibt gierige Foodblogger

Andere Foodblogger – nicht etwa Journalisten oder Restaurantkritiker – wurden zuerst auf Verjus aufmerksam. Wie konnte dieser Mann ein- bis drei Mal pro Woche aus den besten Restaurants der Welt posten, hunderte Kilometer reisen und Rechnungen bezahlen? Gerüchte tauchten auf, Verjus würde einen  Food-Industriellen in Sachen Internet-Kommunikation beraten. Entsprechend reagierte die französische Blogger-Szene nach dem Beitrag in Le Monde empört, aber nicht wirklich erstaunt.

Verjus ist eine Ausnahme, aber er ist nicht allein. Aus Frankreich erreichen den Autor dieses Beitrags zuweilen Anfragen der etwas anderen Art von den Presseabteilungen der neuen Superhotels asiatischer Ketten. „Ein Blogger aus Deutschland hat bei uns um Gratiszimmer und Diner gebeten“ heißt es dann. Wenn man den Pressesprecher ein wenig kennt fallen auch andere Worte: Der Antragsteller hätte deutlich darauf hingewiesen, dass er „Juror für die „San Pellegrino 50 Best Restaurants“ sei“, also bei der jährlichen Rangliste des britischen „Restaurant Magazine“ mitstimmen darf. Ob diese Information zutreffend ist, kann der Hotelier nicht leicht überprüfen: Die jeweils aktuelle Jury wird erst nach der Preisverleihung bekannt gegeben.

In einem Fall wagten die Franzosen es, das Ersuchen um eine Einladung für ein 770-Euro-Zimmer nebst Abendessen abzulehnen. Eine Entscheidung, die der deutsche Foodblogger bereits antizipiert hatte. Parallel lief da schon seine Anfrage bei einer britischen Agentur. Die „50 Best“ sind im Vereinigten Königreich besser angesehen als in Frankreich, der Mann wurde in Ehren, Prunk und Pomp eingeladen.

Blogging ist inzwischen keine Subkultur mehr, sondern ein reifes Medium. Die meisten Foodblogger arbeiten seriös und mit viel Enthusiasmus. Doch genau wie es Restaurantkritiker gibt, die lautstark Einladungen einfordern und beim ersten Schatten einer Rechnung die Flucht ergreifen, existieren jetzt halt schnorrende Blogger (das österreichische Magazin „Profil“ hat dazu einen lesenswerten Beitrag veröffentlicht: www.profil.at/articles/1110/560/291269/schummelnde-spitzenkoeche-kritiker-allianzen-industrie. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis beide Spezies sich nach Kräften vermehren.

Jörg Zipprick

 

 

 

 

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