Die Sterne essen, den Mond trinken | BISS

Die Sterne essen, den Mond trinken

Drei-Sterne-Koch Thomas Bühner und Château Palmer

beim Gourmet-Festival im Rheingau

 

Thomas Bühner wirkt eigentlich sehr entspannt und gelassen. Würde man ihm ein Produkt zuordnen, dann eher die Kartoffel als den Kaviar. Doch so wenig extravagant der bodenständige Westfale erscheint, so ungewöhnlich können seine Kreationen in der Küche ausfallen – manchmal sogar richtig exaltiert. Als er beim Rheingauer Gourmet- und Wein-Festival zusagte, hatten er und sein Restaurant La Vie in Osnabrück noch zwei Sterne, jetzt war er dort jedoch als Drei-Sterne-Koch zu Gast, da ihn der Gourmet Guide in der aktuellen Ausgabe 2012 an die Spitze hoch stufte.

Expressive Makrele

Die Gala-Diners im Kronenschlösschen in Hattenheim, wo fast alle Veranstaltungen des Festivals stattfinden, sind im Schnitt mit 150 Gästen mehr als gut besucht. Zum Lunch von Thomas Bühner kamen „nur“ 100 Gäste. Dabei hätte er gerade wegen seiner Aufwertung alle Beachtung haben müssen. Es lag sicher nicht am Preis (165 € fürs Vier-Gänge-Menü inklusive Sektempfang und sehr guter Weine von Dönnhoff und anderen) und gewiss auch nicht an dem Küchenchef selbst, dass nicht noch mehr Interesse gezeigt wurde. Manchmal ist alles nur ein Zufall, stimmt genau der Tag in der Woche nicht mit den eigenen Terminen überein, an dem so etwas veranstaltet wird.

Thomas Bühner legte gleich mit einem völlig unscheinbaren Gericht los, das von ergreifend schlichter Schönheit das Elementare einer Küche offenbarte: Die hart klingende Kartoffel heiß/kalt war eine ätherische Kartoffelmousseline mit Kürbis-Curry-Eis. Es lief der Zunge heiß und kalt über den Rücken. Kaum sonst haben so wenige Komponenten eine solche Geschmacksvitalität zeigen können. Es sollte der Höhepunkt des Essens sein, zumindest für Puristen und andere Freunde lupenreiner harmonischer Aussagen.

Alles Banane

Die sauer marinierte Makrele mit Passionsfrucht und schwarzem Sesam-Eis war bis ins Detail ausgelotet und geriet zum sensorischen Gesamtkunstwerk. Die japanisch anmutende Komposition war aber auch ein ziemlich buntes und leicht nervöses Gericht, das den Wein ins Abseits beförderte und mehr Restsüße gefordert hätte.

Thomas Bühner

Warum man eine Seezunge zweimal schichten muss, um damit eine fette Rolle zu strapazieren, hat sich nicht erschlossen, denn eine schlanke Seezunge schmeckt einfach feiner. Der begleitende Gemüsebrei zeigte sich sehr gestrig. Auch das Filet vom Rentierrücken wollte nicht entzücken. Zunächst einmal: Brauchen wir hier ein solches Nikolaus-Schlittenpferd und könnten es nicht auch Hirsch und Reh sein? Der Rentierrücken schmeckt deutlich mehr nach Tier, auch nach Metall und Blut wie rohe Leber. Wer´s mag, wird damit sehr glücklich. Das sehr exotische Dessert nannte sich Bananen-Milchshake mit Koriander, Limette und karamellisierter Schokolade. Spannend, aber auch sehr süß und üppig. Ingo Swoboda moderierte mit flinker Zunge, Gourmet-Festival-Veranstalter und Hotelier H.B. Ullrich quittierte es mit breitem Grinsen.

Einer der flüssigen Höhepunkte des Festivals war die Probe von Château Palmer. Directeur Bernard de Laage de Meux war überdeutlich begeistert von seinen Weinen. Moderator und Autor Jan Paulson bremste ihn nicht. Die Degustation war dennoch sehr anregend. Den ebenfalls zur Verkostung stehenden Zweitwein Alter Ego kann man rasch übergehen. Château Palmer selbst gehört zu den wichtigen Bordeaux-Weingütern, wenngleich als 3ieme Grand Cru nicht zur ersten Liga. Die Weine kosten zwischen 130 und 350 Euro (bei der Probe gab es schlückchenweise sechs Palmer-Weine für 185 €).

Rentierrücken

Palmer ist sehr oft ein charmantes Raubein, herb und herzlich. Mit den Jahren kann er endgültig zum Charmeur werden, präsentiert sich samtig und gefühlvoll. Diese Probe stellte fast alles auf den Kopf, die jüngeren Jahrgänge fielen mitunter betörend aus, während die die anderen trotz Alters unreif wirkten. Die Jahrgänge 1995 und 1996 sind nicht in Schönheit gealtert, zeigten sich unelegant und wenig delikat. Der 95er langweilte mit verhaltener Aromatik und dürftiger Pflaumigkeit. Beim 96er stellte sich mürbe Krautigkeit ein, sogar Säure und leichter Schwefel. Der Jahrgang 2000 gefiel durch sein chevalereskes Auftreten und feingliedrige Variabilität aus Zedernholz, Leder und Roten Beeren. Noch zugänglicher der Palmer 2008, mit Düften von Schokolade, Kaffee, Roten Beeren, Cassis, Tabak. Höhepunkt war der Jahrgang 2005, mit seinem differenzierten Geschmacksbild aus Port, Mokka, Karamell, Vanille und einem Hauch Minze. Ein sinnlicher Wonneproppen und das Gegenteil vom distinguierten 2000er, der kühl wie Mondschein wirkte. Welch eine Lehrstunde. Kaum etwas stimmte mit den Erwartungen überein, die eine gewisse Fachpresse und die Weinmacher selbst erzeugen. Wie trügerisch ist doch das Geschwätz über Entwicklungen von Weinen, von Lebewesen, die meist eine ganz andere Laufbahn nehmen, als sie von Experten vorausgesagt wird. Der Wissensdurst, der bei solchen Veranstaltungen gestillt wird, ist in jeder Hinsicht wertvoll. Man kann Sterne essen und den Mond trinken, das Leben auf der Erde bleibt trügerisch.

Ludwig Fienhold

 

Weinverkostung

Das Rheingau Gourmet- und Wein-Festival geht noch bis zum 7. März. Das Veranstaltungsprogramm mit den noch freien Tickets kann man über die Webseite einsehen: www.rheingau-gourmet-festival.de

 

 

 

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