Das Biskuit der Säufer | BISS

Das Biskuit der Säufer

Wie Wein & Käse

sich lieben lernen

 

Von Guy Bonnefoit

 

In Altgriechenland war es seit der Antike Brauch, nach einem Mahl ältere Käse zum Wein zu essen. Dies geschah nicht nur aus geschmacklichen Gründen. Der Salzgehalt des Käses erzeugte Durst, man trank Wein und bekam dadurch wieder Appetit. Im 19. Jahrhundert war es in Frankreich üblich, am Schluss einer Mahlzeit den verbliebenen Rotwein mit Biskuitkuchen zu trinken. Andere zogen es vor, etwas Käse dazu zu essen. Grimod de la Reynière, der erste Gastrokritiker Frankreichs, fand dazu die treffende Aussage: „Der Käse ist das  Biskuit der Säufer“. Colette, die berühmte französische Schriftstellerin, pflegte zu sagen: „Wenn ich einen Sohn im heiratsfähigen Alter hätte, würde ich ihm sagen, nimmt dich in acht vor einer Frau, die weder Wein noch Käse, noch Trüffel, noch Musik mag.“

Es gibt eine sehr nahe gustative und gesunde Verbindung zwischen Produkten, die aus der gleichen Region stammen und zusammen genossen werden. Das hängt mit den tellurischen Kräften zusammen. Die Tiere (Kühe, Schafe und Ziegen), ihre Nahrung (Gräser, Kräuter und Sträucher) sowie auch der Rebstock sind Strahlungen ausgesetzt.

Das Mikroklima und der Boden mit seiner mineralischen Zusammensetzung und die Bodenbearbeitung spielen eine wichtige Rolle. Bei der Qualität der Milch ist die Flora (Gras, Kräuter, Sträucher, Gewürze) einschließlich der darauf ansässigen willkommenen Bakterien, Enzymen, Hefen und Schimmelpilzen, die den wesentlichen Anteil des Käsegeschmacks ausmachen, von großer Wichtigkeit. Sie spielt auch für unsere Gesundheit eine Rolle.

Darüber hinaus ziehen die Wurzeln der Pflanzen wertvolle Mineralien aus dem Boden. Wenn Käse und Wein aus dem gleichen Gebiet kommen, ist es nahe liegend, dass sie sowohl gustativ als auch gesundheitlich gesehen die optimale Verbindung bringen. Dies kann naturgemäß nicht das einzige Kriterium sein, Käse und Wein auszuwählen. Es gibt nämlich Regionen, die Käse produzieren, aber über keinen Weinanbau verfügen, z.B. die Normandie.

Da die Flora saisonbedingt nicht gleich bleibend sein kann und im Laufe des Jahres Schwankungen unterliegt, schmeckt der Käse, je nachdem in welcher Jahreszeit die Milch verarbeitet wurde, immer etwas anders. Die beste Futterqualität für die Milcherzeugenden Tiere ist das erste Frühlingsgras mit den frisch sprießenden Kräutern und Blumen und später das nachwachsende Gras nach der Heuernte. Auch die Gestationszeiten der Tiere beeinflussen den Geschmack des Käses. Die Milch ist kurz vor dem Kalben in ihrer geschmacklichen und sonstigen Zusammensetzung ganz anders.

Ein weiterer Faktor, der auf die Qualität Einfluss hat, ist das Klima und die Temperatur im Laufe des Jahres. Käse werden bei der Herstellung im Sommer mehr gesalzen als zu anderen Jahreszeiten, um einem Austrocknen des Teiges entgegenzuwirken. Ein weiterer Punkt in der Käse- und Weinvermählung ist der Einfluss der Außentemperatur auf die Menschen selber. Wir haben im Sommer ganz andere Erwartungen und Bedürfnisse vom Gustativen und beim Kalorienbedarf als im Winter. Bei heißen Temperaturen ist der Drang nach körperlicher Betätigung stark vermindert. Man hat eher Lust auf leichte, saftige und fruchtige Speisen.

 

Kriterien für die Weinauswahl zum Käse                                                             

Der Reifegrad eines Käses gehört zu den wichtigsten Kriterien für die Käse- und Weinvermählung. Ein junger Ziegenkäse, der angenehm laktisch und säuerlich schmeckt, verlangt nach einem ganz anderen Wein als der, welcher mehrere Wochen älter ist, mineralienreicher und animalischer schmeckt. Der erstere, jüngere wird zu einem trockenen, leicht pflanzlichen, fruchtigen jungen Sauvignon (z.B. Sancerre, Pouilly-Fumé oder Entre-deux-Mers mit hohem Sauvignon-Anteil) oder einem Riesling aus den Gebieten Mosel-Saar-Ruwer oder Württemberg (wegen ihre mineralischer Art) gut harmonieren. Für die Rotweinliebhaber reiche man z.B. einen kühlen jungen Beaujolais oder Chinon von der Loire (Cabernet Franc Rebe), bzw. einen Dornfelder aus der Pfalz oder Blaufränkischer aus Österreich (Burgenland). Dagegen verlangt ein gut gereifter Ziegenkäse entweder nach einem älteren Sauvignon (über 3 Jahre alt) oder älteren Rotwein aus der Rebe Cabernet Franc oder Syrah von der nördlichen Côtes-du-Rhône oder aus dem Languedoc-Roussillon-Gebiet.

Um eine optimale Harmonie zu Wein zu erlangen, ist es notwendig die einzelnen Geschmacksrichtungen, die es beim Käse gibt, zu analysieren.

fruchtig            pflanzlich                    animalisch      laktisch              würzig               Verschiedenes

nussartig           Champignon                 Kuh                 Buttermilch       würzig                erdig

Haselnuss        Heu (Siloheu)               Kuhstall           buttrig                 Kümmel           Jutesack

Walnuss            harzig                               Moschus          laktisch              Asche

Kartoffel (rohe)               Schaf                sahnig                                         mineralisch

Provence-Kräuter        Schafswolle       säuerlich

Ziege

Hinzu kommen die aromatischen Komponenten lieblich, mild, pikant, süßlich durch Milchzucker, leicht stechend, kräftig, scharf bis zu fehlerhaften Noten wie Ammoniak, ranzig, seifig, wenn bei der Käseherstellung und/oder Reifung bzw. Transport Fehler passieren.

Eine ähnliche Einteilung lässt sich ebenfalls bei den Weinen vornehmen. Neben den Geschmacksrichtungen trocken, halbtrocken, mild, edelsüß lassen sich weitere geschmackliche Komponenten aufzählen: fruchtig, pflanzlich, laktisch, würzig, animalisch. Die Mehrzahl dieser geschmacklichen Bestandteile findet man in ein und demselben Wein vereint.

Der Sancerre blanc ist ein trockener Weißwein aus dem Loiregebiet (Centre) und wird aus der Sauvignonrebe gewonnen. Er schmeckt sowohl fruchtig (Birne, Apfel) und pflanzlich (Farn, Buchsbaum, Efeu, Brennnessel etc.) als auch laktisch und mineralisch. Das ergibt eine wunderbare Harmonie mit einem jungen Ziegenkäse wie dem Crottin de Chavignol (laktisch, mineralisch, fruchtig, nussartig). Weil der Ziegenbock Trauben liebt, ist er in Mythen und Kulten eng mit dem Weingott Bacchus verbunden! Auch ein Silvaner, z.B. aus Franken, schmeckt vortrefflich zum jungen Ziegenkäse, da er fruchtig (Apfel), mineralisch, pflanzlich (Holunderblüten, Gras, Basilikum) ist. Das gleiche kann man von einem Weißburgunder sagen, der zusätzlich nussartig schmeckt und somit sehr gut zum Ziegenkäse harmoniert.

Chambertin (oder Gevrey-Chambertin), ein edler Burgunder-Rotwein aus der Côte de Nuits, schmeckt fruchtig (Kirsche, Himbeere, Pflaume, Brombeere, Schwarze Johannisbeere), pflanzlich (Unterholz, Waldpilze) sowie leicht animalisch (Leder, Tierhaut, Geräuchertes) und erdig. Dieser Wein bringt zu einem guten Roquefort die perfekte Harmonie, denn der Roquefort schmeckt pflanzlich (Pilze, durch den Penicillium Roqueforti = Penicillium Glaucum) und animalisch (leicht nach Schaf).

Giacomo Casonava fand die Vermählung in vielfacher Hinsicht für gelungen: „Oh, wie der Roquefort und der Chambertin am besten geeignet sind eine keimende Liebe zur vollen Blüte zu bringen.“

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